Am 5. Oktober 2017 schockierte ein Artikel in der «New York Times» die ganze Welt: Dem Filmproduzenten Harvey Weinstein, bekannt für Filme wie «Shakespeare In Love» oder «Django Unchained», wird mehrfache sexuelle Belästigung sowie Vergewaltigung vorgeworfen. Sechs Frauen berichten, von Weinstein vergewaltigt worden zu sein, viele weitere werfen ihm vor, sie sexuell bedrängt zu haben. Unter den Opfern fallen Promis wie Angelina Jolie, Cara Delevingne oder Lupita Nyong’o, hauptsächlich am Anfang ihrer Schauspielkarriere. Aber auch anonyme Anschuldigungen wurden veröffentlicht.

Die totgeschwiegene Wahrheit

Erschreckend ist, dass diese Vorwürfe in Hollywood ein offenes Geheimnis seien: So war es vielen Schauspielern, Regisseuren und Produzenten bewusst, dass Weinstein junge Frauen, die neu in der Filmindustrie sind, sexuell bedrängt und belästigt hatte. Wer vorhatte, gegen ihn vorzugehen, musste meist damit rechnen, von der Filmindustrie verbannt zu werden. Er galt als zu angesehen, zu erfolgreich und zu einflussreich, um sich gegen ihn zu wehren: Seine Firmen sind in Hollywood immens wichtig. Um gross raus zukommen, musste man zuerst an denen vorbeikommen. Man kann sich also vorstellen, dass es scheinbar unmöglich war, sich in früheren Zeiten gegen die Missbräuche zu wehren. Wenn man es tat, wurde die Wahrheit totgeschwiegen. Man bekam keine neuen Angebote, verlor seine Arbeit- während der Peiniger weiterhin von Lob überschwemmt und immer erfolgreicher wurde.

Solche Beispiele sieht man nicht nur in Hollywood, auch hier sind sie vertreten: In der Schweiz litten 10% der Männer bei der Arbeit schon mal unter sexueller Belästigung, bei den Frauen beträgt es sogar 28.3 %, wie eine Studie im Auftrag des Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Frau und Mann EBG und Staatssekretariat für Wirtschaft SECO zeigt. Bei vielen der Fälle verschweigen es die Opfer vor ihrem Arbeitgeber, da man fürchtet, nicht ernst genommen zu werden.

Solidarität durch Hashtag

Öffentlich zuzugeben, dass man Opfer von sexueller Gewalt wurde, ist schwierig und braucht Mut. Umso besser ist es, wenn man danach Unterstützung kriegt. So verbreitete sich in den sozialen Netzwerk der Hashtag #metoo wie ein Lauffeuer. Darunter berichten Frauen von ihren Erfahrungen mit Belästigungen und Vergewaltigungen, um der Welt zu zeigen, dass dieser Vorfall kein Einzelfall, sondern ein Thema ist, welches eine gravierende Rolle spielt. Kurz darauf folgt #mentoo, gemacht von Männern, die ihre Erlebnisse schildern. Dafür hagelte teilweise heftige Kritik; bei dem hier ginge es nicht um die Männer, sondern um Gewalt gegen Frauen. Es stimmt, Frauen sind öfters Opfer von sexuellen Straftaten. Doch bedeutet das gleich, dass der Mann weniger das Recht hat, gegen solche Vorfälle zu kämpfen? Spielen seine Erlebnisse keine Rolle? Sollte man nicht gegen sexuelle Gewalt in allen Fällen kämpfen? Oder gibt es gewisse Richtlinien, die vorschreiben, ob das Vergehen relevant oder nicht ist?

Doch für beide Hashtags gibt es Kritik. Wie immer finden sich Kommentare darunter, die mit dem Argument des «Victim Shamings» kommen. Beispielsweise meinte die Designerin Donna Karan, dass nicht nur Weinstein Schuld trage. Man müsste auch all die Frauen miteinbeziehen, die sich so anziehen, dass man bei ihrem Anblick gleich denken könnte, dass sie nach Ärger verlangen. Es gibt auch Leute, welche finden, dass viele der Betroffenen die gesamte Situation schlichtweg überdramatisieren würden. Solche, die finden, dass gewisse Dinge einfach nur Ansichtssachen seien. Mit dem sie ja eigentlich Recht haben; wenn sie diese Ansichtssache nicht nur aus ihrer Sicht, sondern auch aus der Sicht des Opfers betrachten würden. So kann für den einen ein Schlag auf das Hinterteil eine übliche Art und Weise der Begrüssung sein, während es für die andere Person eine unangenehme Berührung darstellt. Wir müssen logischerweise für uns entscheiden, was uns zu weit geht und was nicht. Aber dabei muss man bedenken, dass andere Menschen diese Entscheidung auch für sich selber treffen und es uns dabei nicht gestattet ist, stur an unserer Ansichtsweise festzuklammern und die Komfortzonen der anderen zu ignorieren.

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