Ghostwriting ist an Hochschulen ein bekanntes Problem. Dabei ist die Anzahl Betrugsfälle schwer zu eruieren. Doch was ist Ghostwriting überhaupt und inwiefern macht man sich damit strafbar? Ein Überblick.
Ein Beitrag von Melanie Merten / Bildungsmagazin, eduwo.ch
Eine Abschlussarbeit zu schreiben, nimmt viel Zeit in Anspruch und kann viel Geduld erfordern. Wer keine Zeit und Geduld dafür aber genügend Geld hat, spielt eventuell irgendwann mit dem Gedanken, einen Ghostwriter zu engagieren. Sobald man in Google «Ghostwriting-Agenturen» eingibt, kommen ein Dutzend verschiedene Unternehmen, die einem alles rund ums Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten abnehmen wollen: Von der Suche der passenden Literatur bis hin zur Plagiatskontrolle.
Bachelorarbeit für 3’300 Franken
Unter Ghostwriting versteht man ganz allgemein das Verfassen von Texten im Namen und Auftrag einer anderen Person. Der Auftraggeber gibt hierbei das zu bearbeitende Thema oder den Bereich an und nennt den gewünschten Umfang und Abgabezeitpunkt der Arbeit. Der Ghostwriter verfasst den Text und liefert ihn für die verhandelte Geldsumme ab. Die Preise unterscheiden sich je nach Länge und Art der Arbeit, liegen aber im Normalfall bei mehreren Tausend Franken. Eine 30-seitige Bachelorarbeit für einen Betriebswirtschaftsstudenten kostet bei der Agentur «Academic Ghostwriting» beispielsweise 3240 Franken.
In Foren zum Thema Ghostwriting werden Agenturen empfohlen oder es wird auf weitere Internetseiten mit Informationen zum Thema verwiesen. Manche Teilnehmer warnen davor, einen Ghostwriter in Anspruch zu nehmen. Doch auch abseits des Internets gibt es die Möglichkeit, einen Ghostwriter zu finden.
Mundpropaganda
Ein ehemaliger Ghostwriter, der anonym bleiben möchte, erklärt, er habe in seiner kurzen Karriere fünf Hochschularbeiten geschrieben. Zu seinen Kunden gehörten vorwiegend Studenten aus dem Bereich der Sozialen Arbeit. Zudem schrieb er eine Soziologie- sowie eine Geschichtsarbeit. Wichtig dabei war, dass er sich entweder mit den Themen auskannte oder kein Fachwissen benötigte und er somit alles nachlesen konnte.
Doch wie kam er überhaupt zu diesem Job? An seinem damaligen Arbeitsort hat er einen Studenten kennengelernt, der seine Semesterarbeit nicht selber schreiben mochte. Da der ehemalige Ghostwriter gerne solche Arbeiten schreibt, hat er seinem Arbeitskollegen angeboten, die zwanzig Seiten gegen Bezahlung zu verfassen. Der Freundschaftsdienst hat sich dann an der Hochschule des Arbeitskollegen rumgesprochen und weitere Studenten bestellten sich eine schriftliche Arbeit.
„Erschleichung“ ist strafbar
Studierende, die einen Ghostwriter engagieren, verstossen gegen die Vorschriften der Hochschulen und haben mit den jeweiligen Konsequenzen zu rechnen, da sie schriftliche Arbeiten mit ihrer Unterschrift ausdrücklich als Eigenleistung bestätigen. Die Konsequenzen sind unterschiedlich: Immatrikulierte können bis zu drei Jahre von der jeweiligen Hochschule ausgeschlossen werden. Falls dem Auftraggeber von Ghostwriting der akademische Grad bereits verliehen wurde, kann ihm dieser wieder entzogen werden. Ausserdem macht man sich auch juristisch strafbar. Der Straftatbestand «Erschleichung einer falschen Beurkundung» ist aber selten erfüllt. Überführte können laut Strafgesetzbuch Artikel 253 mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe belangt werden.
Grauzone der Legalität
Die Ghostwriter selber handeln bei der Tat nur als «Gehilfen» und haben keine juristischen Folgen zu befürchten. Ausserdem ist in den meisten Ghostwriting-Verträgen festgehalten, dass die Auftraggeber den Text nicht unter eigenem Namen veröffentlichen oder nur als Vorlage nehmen dürfen. Dies dient den Ghostwritern als zusätzliche Absicherung. Von Seiten der Hochschulen droht einem Autor im Hintergrund jedoch die Exmatrikulierung, falls er auffliegt.
Laut Christoph Pappa, dem Generalsekretär der Universität Bern, sei es extrem schwer, Studenten nachzuweisen, dass sie ihre Arbeit nicht selber geschrieben haben. «Anders als bei Plagiaten lassen sich gekaufte Arbeiten schwer beweisen», sagt Pappa.
Als Plagiat bezeichnet man geistigen Diebstahl, das heißt, die Übernahme fremder Gedanken in den eigenen Text, ohne diese als solche zu kennzeichnen. Ein Beispiel dafür ist der Fall Guttenberg: Der ehemalige deutsche Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat in seiner Doktorarbeit Textpassagen wörtlich und ohne Quellenangaben übernommen. Folglich wurden ihm sein Doktortitel und sein Amt entzogen.
«Keiner meiner Kunden ist durchgefallen»
Bei den Eltern und im Freundeskreis des ehemaligen Ghostwriters war die Nebentätigkeit kein Geheimnis. Er fand die Geschichte witzig und redete mit seinen Freunden offen darüber. Obwohl einige sehr negativ darauf reagierten, weil er in ihren Augen Leuten half, die zu faul waren, eine Arbeit selber zu schreiben, blieb er als Ghostwriter tätig. Er hatte das Gefühl, Gutes zu tun und den Studenten damit nur zu helfen.
Schlussendlich hörte er aber auf, weil das Schreiben der Arbeiten sehr anstrengend war und wenig Geld einbrachte. Eine zwanzigseitige Semesterarbeit kostete bei ihm nur 400 Franken. Eine Notengarantie gab es für seine Texte nicht. Im Falle einer ungenügenden Note hätten die Auftraggeber nichts bezahlen müssen. Das kam aber nie vor.
Hochschulen am kürzeren Hebel
Da Ghostwriting den Studenten schwer nachzuweisen ist, hat die Uni Bern im Januar 2016 als erste Hochschule eine Anklage gegen den Anbieter von Ghostwriting eingereicht. Sie warfen der Agentur Acad Write «Mittäterschaft und Gehilfenschaft zur Urkundenfälschung und Betrug» vor. Die Staatsanwaltschaft Zürich hat die Strafanzeige jedoch abgeschlossen, ohne überhaupt die Ermittlungen aufgenommen zu haben. Laut Corinne Bouvard, Mediensprecherin der Staatsanwaltschaft Zürich, seien keine Hinweise auf einen konkreten Fall von Ghostwriting vorhanden und der Tatbestand der Urkundenfälschung sei deshalb nicht erfüllt. Auch die Universität St. Gallen (HSG) ist bereits rechtlich gegen Ghostwriting-Agenturen vorgegangen. Dies jedoch ebenfalls ohne Erfolg.
Ghostwriting ist eine rechtliche Grauzone. Auf den ersten Blick scheint es, als ob es sich um eine Win-Win-Situation handelt: Der Ghostwriter verfasst Arbeiten und verdient damit Geld, der Auftraggeber bekommt eine fertige Abschlussarbeit und spart Zeit. Genau betrachtet, trägt der Auftraggeber jedoch das grössere Risiko aufzufliegen, handelt illegal und zahlt einen bis zu vierstelligen Frankenbetrag. Clever ist, wer seine Arbeiten selber schreibt.
Dieser Beitrag ist als Erstpublikation im Bildungsmagazin von eduwo.ch erschienen.
Bildquellen
- bty: Bildungsmagazin