Wenn es um Gleichberechtigung geht, darf sich die Schweiz nicht die Schultern klopfen. Im internationalen Vergleich hinkt die Confoederatio Helvetica ganz schön hinterher. Aber das muss nicht zwingend bedeuten, dass Schweizer Frauen grundsätzlich ungleichberechtigt sind. Schliesslich sind wir ein führendes westliches Industrieland und liegt auf dem Index der menschlichen Entwicklung auf dem zweiten Platz.
Trotzdem sollten wir uns nicht mit zu viel Lorbeeren schmücken. Aber beginnen wir ganz von vorne in der Geschichte.
1881 – Ich wasche nicht mehr
Rund 20 Jahre nach Ende der Sklaverei schlossen sich Wäscherinnen aus Atlanta zur Washing Society zusammen und forderten einen einheitlichen Lohn. Die Frauen mussten nicht selten mit einer Auszahlung, der fürs knappe Überleben reichte, auskommen. Gemeinsam wuchs die Zahl der Arbeitsverweigerinnen binnen wenigen Wochen von 20 auf 3000. Als ein Generalstreik aller Hausangestellter drohte, wurden die Forderungen der Washing Society akzeptiert.
1920 – Kolumbien protestiert
Am 12. Februar 1920 wurde der erste Frauenstreik von rund 400 Textilmitarbeiterinnen in Kolumbien durchgeführt. Die Arbeitsverweigerinnen protestierten gegen ihre Arbeitsbedingungen und forderten höheren Lohn und einen 10-Stunden-Arbeitstag. Des Weiteren forderten sie das Ende diverser Bussen, die ihnen aus unterschiedlichen Gründen sei es etwa aufgrund von Ablehnung sexueller Annäherungsversuche, erteilt wurden. Mehr als 20 Tage nach Beginn des Streiks akzeptierte der Fabrikbesitzer die Forderungen der Frauen. Dieser Erfolg gab im Anschluss Anreiz für weitere emanzipierte Frauenbewegungen.
1971 Frauen dürfen wählen
Am 7. Februar 1971 stimmen 65.7 % aller abstimmenden Männer für das Frauenwahlrecht und holten damit auf, was in zahlreiche andere europäische Staaten bereits Bestandteil des Wählens war. So konnten Frauen bereits seit 53 Jahren in Deutschland, 52 Jahre in Österreich, 27 Jahre in Frankreich und 26 Jahre in Italien abstimmen. Natürlich gab es auch nebst der liberalen Entscheidung Frauen ein Stimmrecht zu geben, einige Aspekte, die ganz und gar gegen das Frauenwahlrecht sprachen. Beispielsweise durften Aborigines in Australien erst 1962 wählen, obwohl australischen Frauen bereits 1902 das Recht zugesprochen wurde. Ausserdem wurde in Saudi-Arabien das Frauenstimmrecht erst 2011 eingeführt und in Grossbritannien galt das Recht 1918-1928 nur für Frauen ab 30.
1981 – die Gleichsetzung von Mann und Frau
Im Artikel 8 der Bundesverfassung heisst es seit 1981 im dritten Abschnitt:
Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.
Tatsächlich umgesetzt wurde der Artikel jedoch erst im Jahr 1996, also rund 15 Jahre später. Was als Grundlage des Schweizer Rechts schwarz auf weiss gedruckt steht, wurde also eine Weile lang nicht wirklich beachtet und wird auch heute noch an einigen Arbeitsstellen gekonnt ignoriert.
1991 – Kampf um die offizielle Gleichsetzung von Mann und Frau
Am 14. Juni 1991 kämpften Tausende Frauen für die eigentliche Umsetzung des zehn Jahre zuvor ergänzten Gleichsetzungsartikel. Unter dem Motto «Wenn Frau will, steht alle still.», legten Tausende von Frauen ihre Arbeit nieder und nahmen schweizweit an diversen Aktionen und Streiks teil. Nachfolgend wurde Ruth Dreifuss 1993 in den Bundesrat gewählt, 1996 trat das Gleichstellungsgesetz offiziell in Kraft und seit 2004 gilt die Mutterschaftsversicherung für jede arbeitstätige Frau.
Bild: 14juni.ch
2019 – sind Mann und Frau gleichgesetzt?
Obwohl sich meist Frauen in der testosterondominierten Welt ungerecht behandelt fühlen, sollte auch die Kehrseite nicht ganz ignoriert werden. Auch Männer werden in gewissen Lebensbereichen nicht mit Frauen gleichgesetzt bzw. gleich behandelt. Mann geht ins Militär. Frau soll ihren gesellschaftlichen Beitrag als Mutter und Hausfrau leisten. Wir durchgehen eine Änderung des stereotypischen Familienbildes, wodurch auch der Vater immer öfters in die Rolle des «Hausmannes» schlüpft. Frau hingegen bleibt vom Militär verschont.
Nebenbei wurden in diesem Jahr 37 Reinigungskräfte – darunter fast nur Frauen – durch die Firma Orgapropre entlassen. Mit ohnehin schon niedrigem Lohn, tiefen Rente und Null Sozialplan und der Möglichkeit, wieder eingestellt zu werden, fühlten sie sich gezwungen mehr Gerechtigkeit einzufordern. Sie streikten elf Tage lang mit der Unterstützung der Genfer Gewerkschaft SIT. Nebst Abfindung und Vermittlung machten die Streiker*innen auf die prekären Arbeitsbedingungen aufmerksam, die meist im verborgenen stattfinden.
Weitere Informationen zum Streik am 14. Juni 2019 findest du in diesem Beitrag von Alexandra oder auf der Webseite des Frauenstreiks.
Bildquellen
- alle-tous: 14juni.ch