Wir leben in einer Zeit, in der wir hunderte Profile täglich abrufen können. Finden wir auf Instagram jemanden, den wir attraktiv finden, so ist eine DM schnell abgeschickt. Oder sind wir einmal auf der Suche nach der grossen Liebe, so ist ein Profil auf einer Dating App in Sekunden eingerichtet. Wir leben in einer Welt, wo das Daten nicht einfacher sein könnte. Das denkt man zumal. Doch was sind die Nachteile, von denen Nutzer/innen berichten und sind wir zu blöd für die Liebe?

Ein Freund von mir ist so gefühlt auf allen Dating Apps unterwegs, welche ich kenne. Ein bisschen auf Tinder hin und her swipen oder Snapchat-Profile von Frauen ganz leicht mit einer App finden und diese dann adden; Er ist ein Profi im Online «Dating». Doch seit ich ihn kenne, hatte er bisher nicht nur einmal eine ernste Beziehung.

Er ist natürlich kein Einzelfall, es gibt viele junge Erwachsene, die auf Dating Apps unterwegs sind. Es gibt anscheinend sogar Nutzer:innen, die Tinder durchgespielt haben und die Anzeige eines Tages leer blieb. Keine neuen Matches, wie schade.

Die Geschichte der Dating Plattformen

Die Dating Apps sind keine Erfindung von gestern, die erste Plattform wurde bereits im Jahre 1965 von zwei Harvard Studenten lanciert. Dazumal waren Computer noch ein Luxusgut, jedoch behauptete man, dass diese erste Plattform namens «Operation Match» rund 90’000 Mitglieder zählte. Um die Evolution der Dating Apps einfacher zu veranschaulichen, hier eine kleine Darstellung:

Herbst, 1965

Operation Match

Zwei Harvard Studenten gründeten mit Hilfe eines IBM 1401-Computer die erste Partnerschaftsvermittlung. Das Prinzip: Menschen aneinander vermitteln anhand eines 75-Fragen-Umfragebogen und den perfekten «Match» zu finden.

Match.com

Ist die erste weltweite Online-Dating-Webseite. Diese Gründung war der Startschuss zur Entwicklung neuer Dating Apps und es kam zu einer Anstiegswelle von interkultureller Ehen.

21. April 1995
25. März 2009

Grindr

Als 2009 die erste Schwulen-Dating-App Grindr gegründet wurden, löste dies eine sexuelle Revolution in der homosexuellen Community aus. Grindr ist nur wenige Monate nach der Einführung des iPhones 3G im App Store erschienen und war die erste Dating-App, die Geolocation-Technologie nutzte.

Tinder

Tinder sprach eine neue Bevölkerungsgruppe an, die Millennials / Generation Y. Was Grindr für Homosexuelle war, war Tinder für Single-Millennials. Noch nie wurde in Sekunden anhand eines Fotos über die zukünftige Beziehungen zu jemandem entschieden. Über 50mio. Nutzer in mehr als 190 Ländern swipen auf Tinder.

12. September 2012

Ein neuer Aufschwung in der Welt des Online-Datings waren zudem die Gründungen der sozialen Plattformen wie Myspace oder Facebook, welchen liebeshungrigen Suchenden neue Chancen bieten. Bis Ende des Jahrzehnts waren schliesslich auch Twitter, Instagram und Snapchat Teil der digitalen Kommunikations-Apps.

Es war einmal… bis Generation Y und Z Datings App und Social Media entdeckten

Man kann es kaum glauben, doch es gab einmal Zeiten, in denen man sich in Bars, Clubs, öffentlichem Verkehr oder auf der Strasse kennengelernt hat. Damals warf man sich Blicke zu, schenkte einander ein Lächeln und hoffte, dass jemand jetzt gleich den Mut findet, den anderen anzusprechen, bevor er oder sie wieder verschwindet. Das kennt man heutzutage wohl weniger.

Heutzutage sehen romantische Begegnungen und Dating etwas anders aus. Ein Lächeln hilft nach wie vor, um Interesse zu zeigen, jedoch nutzen wir heutzutage ganz andere Mittel. Schnell errichten wir heutzutage Accounts auf sozialen Medien oder Dating Plattformen und lernen Menschen über das Internet kennen. Eigentlich ziemlich ironisch, wenn man bemerkt, dass uns jahrelang als Kinder und Jugendlichen eingetrichtert wurde, wie viele böse Menschen sind hinter diesen Profilen im Internet versteckten. Heute verzichtet fast kaum jemand mehr darauf, Menschen im Internet kennenzulernen und es ist das wichtigste Mittel geworden, was Dating im 21. Jahrhundert betrifft.

Wischen und Tschüss: Werden wir zu blöd für die Liebe?

Dating Apps wie Tinder versorgen uns mit einer Menge Oberflächlichkeit und Bequemlichkeit. Wir entscheiden innert Sekunden anhand von Bildern und einer Beschreibung, ob die Person uns passt oder nicht. Schätzungsweise verbringen Tinder Nutzer/innen bis zu 10 Stunden in der Woche damit, nach rechts oder links zu swipen und auf den Dating Apps einen passenden Partner zu finden. Wenn dies überhaupt das Ziel, des Tinder Nutzers bzw. der Tinder Nutzerin ist.

Any swipe can change your life.

Werbesatz von Tinder (Übersetzung: Jeder Wisch kann Ihr Leben verändern)

Das Unternehmen wirbt mit der grossen, romantischen Liebe. Doch ob dies wirklich der Fall ist, bezweifle ich. Denn mein besagter Freund ist zwar auf Tinder unterwegs, behauptet jedoch seit Monaten, er sei nicht auf der Suche nach einer festen Beziehung. Meine Vermutung also: Gewisse Menschen suchen auf Dating Apps bloss einen Zeitvertreib und Sex, andere Suchen nach der grossen Liebe. Ziemlich klar, dass das ein Konflikt ist.

Das hin und her wischen, matchen und chatten macht uns zudem unheimlich bequem. Wir müssen keinen Mut mehr zusammenkratzen und uns getrauen, auf Menschen zuzugehen, nur um einen Korb zu riskieren. Auf Tinder ist ein Match klar: Gegenseitiges Interesse. Und wenn es einmal keinen Match gibt, dann passiert nichts, immerhin verliert man irgendwann sowieso den Überblick der Personen, die man liked.

Apps wie Tinder haben nicht mehr viel mit Emotionen zu tun. Es sprühen keine Funken, die Aufregung fehlt, keinen romantischen Flirt mit Augenkontakt, nope, Fehlanzeige. Es läuft alles über einen Computer und einer Software und oftmals müssen wir uns wundern, wie die Person am anderen Ende des Bildschirms denn wirklich aussieht. Wir haben die Freiheit das Profil so einzurichten, wie es uns von der besten Seite zeigt.

Jedem das Seine, aber verblödet bitte nicht daran

Ich habe nichts gegen das Online Dating, ganz im Gegenteil. Ich kenne einige tolle Paare, die sich über das Internet kennen und lieben gelernt haben. Jedoch habe ich etwas dagegen, wenn wir Menschen nur noch oberflächlich entscheiden, wer uns gefällt und wer nicht. Wir streben immer mehr nach Perfektion und haben verkorkste, unrealistische Schönheitsideale im Kopf. Sex und Liebe hat in unsere Gesellschaft oftmals nicht mehr einmal Gemeinsamkeiten.

Zudem wirkt es auf mich, ein Mitglied der Jugend, dass oftmals starker gesellschaftlicher Druck herrscht mit jemanden zusammen zu sein, auf Dates zu gehen oder Sex zu haben. Während meinen Suchrecherchen wurden mit Vorschläge gemacht wie «Dating Apps ab 12» oder «Dating Apps ab 14» und das ist meiner Meinung nach schon ein wenig krass. Es soll kein Muss sein ab 12 schon einen Freund oder eine Freundin zu haben oder seinen ersten Kuss bereits schon zu erleben.

Die Problematik an dieser ganzen Online Dating Sache ist, dass wir Menschen, besonders in der Schweiz, wo die Bevölkerung sowieso schon ein bisschen verschlossener und ernster ist in der Regel, unsere Offenheit verlieren. Wir lernen uns hinter Anonymitäten im Internet zu verstecken, um peinliche Ansprechsituationen zu vermeiden oder einer Blamage aus dem Weg gehen. Nicht allzu selten nutzen wir ebenfalls das Internet um uns vor gewissen Personen abzuschotten, wie beispielsweise mit dem ghosting.

Wir haben im Internet plötzlich so viele Vergleiche, dass wir immer etwas finden in Jemanden, was uns nicht gefällt. Und da das Internet so voll von Menschen ist, welche auch auf Partnersuche sind und es könnte Jemand kommen, der keine Fehler hat. Mit Pech wird dieser einen selber jedoch nicht wollen, weil er Fehler an uns findet und sich weiter durch das grosse Sortiment von potenziellen Partnern durchackert.

Wenn wir eines lernen könnten aus diesem Fluch oder Segen der sozialen Medien oder den Dating Apps ist es, dass die Liebe einen so grossen Bestandteil unseres Lebens spielt. Wir wandeln mit der Digitalisierung und den neuen «Erfindungen» wie Tinder mit. Wenn jemand mit dem angefangen hat, so viele Menschen mit sich gezogen hat und sich so viele Menschen auf diese Apps verlassen, veralten gewisse Methoden des Datings einfach. Das Ansprechen wird durch das vereinfachte Anchatten per Insta DM oder Nachricht nach einem Tinder Match ersetzt. Wir Menschen neigen immer mehr zu Bequemlichkeit, deshalb können wir uns es wohl nicht übel nehmen.

Geschrieben von:

monday ce n'est pas mon day.

2 Comments

  1. Louis Knöfler Reply

    Liebe Lara du hast meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf getroffen durch Social Media haben viele Menschen ein Schönheits ideal im Kopf was erfüllt werden muss obwohl nicht nur das aussehen eine Rolle spielt das aber für viele neben Sachen ist.
    Was auch sehr schade ist das durch Freunde ein gewisser Druck in einem Selbst entstehen kann was Sex betrifft wenn man hört das der beste Freund mit 15 oder 16 sein erste Mal hatte oder die beste Freundin schon ihren 5 Freund hatte.
    Ich finde deinen Artikel super 👍

    • Lara Weiss Reply

      Lieber Louis,
      Danke für deine Worte. Es freut mich, dass dir mein Artikel gefällt. Mit deinem Kommentar hast du absolut Recht. Wir Menschen besitzen immer mehr dieses eine Schönheitsideal und richten so auch unsere Partner aus. Auch ein «Schönheitsideal» für Beziehungen scheint sich immer mehr zu formen. Ich teile deine Meinung absolut, dass es sehr Schade ist dass man Druck verspürt wenn man im Vergleich zu seinen Freunden und Freundinnen «Hintendrein» ist. Aber denk immer daran: Das Leben ist kein Wettlauf und alles passiert in der richtigen Zeit am richtigen Ort!

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