Handygallerie öffnen, automatisch generiertes Selfie Album anwählen. Schon sehe ich auf dem Display meines Smartphones duzende Versionen meines Gesichtes, das im Grunde genommen immer genau gleich aussieht. Die Fotos, die ich mir hier ansehe, habe ich alle selbst verschuldet: tonnenweise Selfies.

Nicht selten kommt es vor, dass wir Jungen von den älteren Menschen als Selfiegeneration betitelt werden. Und wenn ich mir dieses eben genannte Album ansehe, fühle ich mich tatsächlich auch davon betroffen. Darauf will ich es aber nicht beruhen lassen. Deswegen werde ich dieses Selfie-Thema heute ein wenig hinterfragen und mir Gedanken dazu machen.

Strahlendes Social Media Lächeln

Sind vielleicht soziale Netzwerke „Schuld“ an unserem Selfiefieber? Immerhin verlangt doch mittlerweile jede soziale Plattform so etwas wie ein Profilbild, auf dem wir uns selbst präsentieren müssen. Für diese Gelegenheit wollen wir natürlich alle blendend aussehen, immerhin ist das Profilbild mittlerweile beinahe wichtiger als der berüchtigte erste Eindruck, wenn dieser nicht gleich das Profilbild selbst ist.

Jeden, dem wir vor der ersten Begegnung im echten Leben erst online kennengelernt haben, beurteilten wir erstmal am Profilbild. Mensch mit Hund auf den Armen? Ein Tierliebhaber. Mensch am Meer? Ein Reisebegeisterter. Gruppenselfie? Ein Geselliger.

Nicht nur das Profilbild, sondern alle Selfies, die wir posten, sagen irgendwas über uns aus. Ist kein Hintergrund zu sehen, so kann der Gesichtsausruck gedeutet werden. Oder aber die Anzahl Gesichtsschmuck oder die Dicke der Makeup Schicht, die manche auf ihrem Gesicht tragen.

Ein Zeitvertreib?

Rückblickend auf die letzten drei Jahre hat sich mein persönliches Selfie-Verhalten durchaus gewandelt. Frisch an der Kantonsschule und noch nicht so gut mit allen vertraut, war mein automatisch generiertes Selfie Album randvoll.  Zu dieser Zeit wurden bei Snapchat die Facefilter eingeführt und ein Gespräch mit der Pultnachbarin liess sich am besten damit starten, einen Faceswap vorzuschlagen. So oft habe ich mit den Klassenkameraden, die ich damals noch nicht so gut kannte, Fotos gemacht. Einfach, weil wir unsere Handys sowieso immer griffbereit hatten und dachten: Jetzt beginnt eine neue Zeit für uns, lasst uns ganz viele Erinnerungsfotos schiessen.

Jetzt, drei Jahre später, bringt mich dies zum Schmunzeln. Erinnerungsfotos habe ich nämlich von dieser Zeit nun eine Menge, doch an was erinnere ich mich denn genau? An den Moment, in welchem wir das Foto geschossen haben? Waren diese paar Kilobyte Speicherplatz denn wirklich wert?

Sehe ich nämlich einige aktuellere Selfies mit meinen Freunden an, so kann ich praktisch zu jedem eine Geschichte erzählen. Ich habe gelernt, dass sich Erinnerungsfotos nur lohnen, wenn man sich auch wirklich an etwas erinnern möchte.

Vielleicht ist das ein Grund, warum ich mit geschminktem Gesicht viel eher ein Selfie mache, als ohne. So kann ich nämlich die perfekten Cateye Wingsfesthalten, die mir gefühlt einmal in drei Monaten wirklich gelingen. Ob sich die paar Kilobyte für dieseArt von Erinnerung dann wirklich gelohnt haben, sei jetzt mal dahingestellt und jedem selbst überlassen.

Die wirklich wichtigen Motive

Als ich Letzens ein Foto meiner Eltern gemacht habe fiel mir auf, dass das sehr gut eine Premiere sein konnte. Habe ich wirklich, neben all den Fotos, die ich doch täglich mit meinem Handy knipse, noch nie ein Foto meiner Eltern gemacht? Warum sind die Motive vor meiner Handykameralinse viel öfter volle Teller oder Sonnenuntergänge? Das sind doch eigentlich Dinge, die gar nicht so wichtig sind.

Jeden Tag geht die Sonne unter und hier in der Schweiz sind wir mit dem Wohlstand gesegnet, dass wir jeden Tag bestimmt zwei Mal einen gefüllten Teller vor uns haben. Warum also immer alles fotografieren? Ich weiss es nicht, doch ich versuche mich, neben den vielen Snaps, die ich täglich mache und verschicke, auch wieder auf das wirklich wichtige zu konzentrieren. Denn meistens lohnt es sich nur bei diesen Fotos, sie auch noch in zehn Jahren anzusehen.

In der Zukunft aber über das eine oder alte Selfie zu stolpern und sich danach etwas darüber zu amüsieren, kann jedoch auch nicht schaden. Und für mich steht so oder so fest: Die aller besten Momente im Leben kann ich selbst gar nicht festhalten. In diesen bin ich nämlich viel zu sehr mit mir selbst und dem Leben beschäftigt.

Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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