Fussball. 22 Verrückte jagen einem Ball nach, kicken ihn in ein Netz, umarmen sich auf brutalste Weise, fliegen im nächsten Moment in hohem Bogen zu Boden und halten sich schreiend das Knie. Daraufhin ernten sie lautes Johlen, da das arme Knie offensichtlich nicht einmal gestreift wurde. Man merkt, mit Fussball hab ich reichlich wenig am Ball äh… Hut. Doch Fussball ist nicht gleich Freestyle Fussball, da sind sich zumindest die beiden Zuger Freestyle Fussballer Matthias Bösel und Mario Wiesendanger einig.

Die beiden 19-jährigen Freunde spielen seit ihrer Kindheit Fussball, seit einigen Jahren gilt ihr ganze Aufmerksamkeit jedoch dem Freestyle Fussball. Das sagte mir – als ich zum ersten Mal davon hörte – reichlich wenig.

Was genau ist Freestyle Fussball?

Was eigentlich eine Teamsportart ist, wird im Freestyle hauptsächlich alleine durchgeführt. Das Ziel ist es, den Ball möglichst lange auf jegliche Art und Weise zu jonglieren. Sei es mit Füssen, Beinen, Armen oder Kopf, sitzend, stehend oder liegend.

Es soll vor allem gut aussehen und die Zuschauer sollten gerne zuschauen. – Matthias

Mario und Matthias (beide aus Neuheim, ZG) machen seit rund zweieinhalb Jahren Freestyle Fussball.

Ausserdem könne man sehr kreativ sein, fügt der junge Neuheimer hinzu. Dem Freestyle Fussball sind keine Grenzen gesetzt. Er und sein Freund Mario spielten zunächst gemeinsam im Fussballverein Neuheim, ihrem zu Hause. Vor 2.5 Jahren entdeckten sie ihre Leidenschaft in der Fussballakrobatik und entschieden sich am Ende sogar dafür, das Kicken im Verein aufzugeben und den Fokus auf Freestyle zu legen. Mit diesem Schritt gehörten sie in der Schweiz fast zu den Ersten.

In der Schweiz gibt es knapp zehn Personen, die Freestyle aktiv betreiben. – Mario

Daher sei die Sportart auch sehr verbindend, meint der ebenfalls in Neuheim wohnhafte Mario und schmunzelt. Weltweit gibt es bis heute nur wenige die professionell «freestylen». Die beiden Jungs gehören schweizweit deshalb bereits zu den besten. Regelmässig laden sie neue Trickvideos auf ihrem gemeinsamen Instagram und YouTube Kanal hoch und begeistern auf Ersterem bereits mehr als 6500 Follower. Sie selbst sind jedoch nicht – wie viele andere – durch soziale Medien auf die Sportart aufmerksam geworden.

Wir haben schon immer Fussball gespielt und sehr gerne Tricks ausprobiert. […] wir wollten im Team selber etwas filmen und haben dann gemerkt, dass es sehr gut klappt, wenn man lange dran bleibt und viel Energie dafür aufwendet. Dann fingen wir selber an, auf Instagram Videos hochzuladen, und kamen immer mehr in das Ganze rein. Wir merkten auch, was alles möglich ist, mit langem Training. – Matthias

Seither dürften sich die zwei meiner Meinung nach vermutlich auch bereits als Vorbilder für den Freestyle Nachwuchs betiteln. Matthias erzählt grinsend aber bescheiden, wie sie eine Schule und ein Fussballcamp besucht hatten und die Kids sie nach der Show begeistert nach Unterschriften gefragt hatten.

Mario hat es besonders gereizt weiterzumachen, weil Freestyle eben noch niemand sonst machte.

Im Freestyle Fussball wird zwischen verschiedene Positionen unterschieden, erklären sie mir anschliessend. Es gibt Tricks im Stehen (Lowers), bei welchen man den Ball auf den Füssen und Knien jongliert. Hinzu kommen Tricks auf dem Kopf (Uppers) oder solche, bei welchen man auf dem Rücken liegt. Die beiden Neuheimer sind jedoch insgeheime «Cracks» im Stehen.

«Lowers for Life!»

Schweizweit gehören sie zu den besten in dieser Position und durften vermutlich auch deshalb bereits grössere Auftritte feiern, wie beispielsweise an der Sportpreisverleihung 2019 in Zürich.

Die Geschichte von Freestyle

Obwohl Freestyle erst vor knapp zehn Jahren erste Anerkennung erhielt, gehen die Wurzeln der Sportart zurück ins Jahr 1931. Damals trat der italienische Jongleur Rastelli bereits mit ersten Fussballtricks auf und erfand somit das heute bekannte Freestyle. Der 1896 geborene erntete Weltruhm mit seiner ersten Fussballshow im Düsseldorfer Apollo Theater im Jahr 1931. Seine Vorstellung war neu und die Tricks besonders, weshalb er heute nicht ohne Grund in der Fussballszene als Mythos und damit berühmtester Fussballartist aller Zeiten betitelt wird.

Heute sei Freestyle insbesondere in Norwegen und Polen verbreitet, meint Mario, aber auch dort halte sich die Bekanntheit eher in Grenzen.

Mit Ehrgeiz und Geduld zum perfekten Trick

Elegant und federleicht spicken die beiden Jungs den Ball von einem Fuss zum anderen, über den Kopf zurück aufs Knie. Doch hinter dieser Leichtigkeit stecken viel Fleiss, Geduld und besonders Durchhaltevermögen.  «Jeder kann es lernen.», sagt Mario bestimmt. «Viele haben den Ehrgeiz und Fleiss nicht. Man muss viel investieren. Viele denken, sie können es sofort und hören nach kurzer Zeit wieder auf.», fügt Matthias sofort hinzu. Sie erzählen, wie sie damals nach drei Monaten bemerkten, was sie bereits erreicht hatten und pushten sich danach noch weiter.

Matthias war froh, konnten sie sich zu zweit gegenseitig zum Weitermachen fordern.

Wir werden manchmal engagiert, dann machen wir Shows. Das ist ein guter Nebenverdienst. – Mario

Trotzdem sei es schwierig, professionell als Freestyler sein Brot zu verdienen. Momentan organisieren sie sich ihre Shows auf eigenen Fuss, jedoch sind sich beide einig, dass in Zukunft ein Sponsor diese Arbeit übernehmen dürfte. Nebst dem balligen Business merke ich, dass es den beiden hauptsächlich ums «tschutten», «freestylen» und insbesondere Spass haben geht. Selbst nach zweieinhalb Jahren fehlt ihnen die Motivation, noch mehr zu lernen keineswegs. Beide streben neben Arbeit und Zivildienst rund 20 Trainingsstunden pro Woche an. Zeit für einen regenerativen Ausgleich darf aber auch nicht fehlen.

Ich spiele noch Klavier. Mario Schlagzeug. Zusammen sind wir in einer Band und haben einmal in der Woche Probe. Wir sind nicht besessen vom Freestyle, obwohl es manchmal solche Zeiten gab. – Matthias

Matthias sieht in seiner Freestyle Leidenschaft eine gute Möglichkeit neben dem Studium etwas Geld zu verdienen. Mario hingegen strebt nach dem Studium eine professionelle Karriere an. Das wäre vorerst jedenfalls der Plan. Vorerst einmal fiebern die beiden jedoch der Freestyle Weltmeisterschaft im August in Prag und der Schweizermeisterschaft entgegen, von der sie hoffentlich mit einer Siegerehrung zurückkehren.

Tize drückt den beiden auf jeden Fall die Daumen bzw. die Füsse!

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