Beim Wort Massenaussterben denken wohl die meisten an eine glühenden Steinkugel, die mit Höchstgeschwindigkeit auf eine dinosaurierbesetzte Erde zuschiesst. Dass es davor ganze vier weitere, gar grössere Aussterbereignisse gab, ist hingegen nur wenigen bekannt. Was waren die Ursachen für diese sogenannten big five? Und rennen wir mit der derzeitigen Klimakrise auf eine Nummer sechs zu?

Die Massenaussterben der Erdgeschichte

Seit 541 Millionen Jahren existiert komplexes Leben auf unserer Erde, also Leben, das auch ohne Mikroskop als solches zu erkennen ist. Seither entwickelt sich die Artenvielfalt stets weiter. Bis auf – nach aktuellem Wissensstand – fünf Perioden der Degression, die als die fünf grossen Massenaussterben der Erdgeschichte bekannt sind.

Bevor wir uns diesen widmen, liegt mir daran, den Begriff des Massenaussterbens zu definieren. Im Gegensatz zum Hintergrundaussterben gilt beim Massenaussterben nicht der Selektionsdruck, sondern eine Veränderung der Umwelt als Auslöser. Meist gibt es dafür nicht einen einzigen Grund, sondern eher eine Kombination von verschiedenen Prozessen, die die Natur weitgehend verändern. Die Ursachen der fünf Artensterben sind heute noch vieldiskutiert, wobei Wissenschaftler sich nicht immer einig sind, ausgeforscht ist noch lange nicht.

Die Ursachen der fünf Artensterben sind heute noch vieldiskutiert.

Ordovizium: Das erste grosse Sterben

Das Ordovizium endete vor 444 Millionen Jahren mit einem abrupten Temperaturumschlag. Womöglich lag es an der Verschiebung des Superkontinenten über den Südpol, dass viele neue Gletscher entstanden und somit Kohlenstoffdioxid der Atmosphäre entzogen wurde. Dadurch sank nicht nur die Temperatur und der Sauerstoffgehalt im Wasser, sondern auch der Meeresspiegel um bis zu 100 Meter. Seichte Gewässer wurden trockengelegt und durch den Sauerstoffmangel lösten sich zusätzlich toxische Metalle, die das Wasser vergifteten.

Der einst massenhaft bevölkerte Lebensraum der Korallen, Moostierchen, Trilobiten, Kopffüssern etc. wurde nahezu unbewohnbar gemacht. Schätzungsweise 85 Prozent der damaligen Arten verschwanden. Zwar starb keine der damals dominanten Gruppen vollständig aus, doch jede von ihnen erlitte schwere Verluste. Das Artensterben zum Ende des Ordoviziums gilt somit als das zweitverheerendste der Erdgeschichte.

Devon: Das Seesterben

Auf das Ordovizium folgten Silur und Devon, die beide klimatisch recht ähnlich waren. Die Temperatur stieg erneut und die Pflanzenwelt an Land florierte. So breiteten sich auch Tiere immer weiter im terrestrischen Raum aus. In den Ozeanen übernahmen die Fische die Vorherrschaft.

Doch in der Zeit vor ungefähr 372 bis 357 Millionen Jahren folgte der nächste Tiefschlag. Im Gegensatz zum ersten Massenaussterben ist die Ursache des zweiten weit weniger klar. Man vermutet stark, dass der Sauerstoffgehalt der Ozeane massiv gesunken sein muss. Der Lebensraum flacher, tropischer Gewässer war besonders davon betroffen; darunter Fische, Korallen, Trilobiten etc.

Auslöser des sogenannten Kellwasser Ereignis (benannt nach einem Gebiet in Deutschland, in dem wichtige geologische Funde zum zweiten Massenaussterben gemacht wurden) können mehrere unterschiedliche Ereignisse sein. Zum einen gibt es Anzeichen für besonders starken Vulkanismus kurz vor dem zweiten grossen Sterben, wobei grosse Mengen Schwefeldioxid in die Atmosphäre gelangte und möglicherweise als saurer Regen wieder zu Boden fiel. Es gibt auch Vermutungen über Asteroideneinschläge, gestützt durch den Fund des ca. 50 Kilometer breiten Siljan-Kraters in Schweden, der vor ca. 377 Millionen Jahren entstand.

Trotz unklarer Ursache war das zweite Massenaussterben nicht weniger verheerend. 80 – 90 Prozent aller Meerestierarten verschwanden. Insgesamt starben rund 75 Prozent aller Arten aus.

Perm: Vom Erdaltertum zum Erdmittelalter

Ursache des grössten Massenaussterbens unserer Erdgeschichte war keine Senkung, sondern ein Anstieg der Temperatur. Am Ende des Perm vor 252 Millionen Jahren muss die Temperatur so stark angestiegen sein, dass dreiviertel der Lebewesen an Land und 96 Prozent der Meereswesen innerhalb weniger hunderttausend Jahren ausstarben. Ein kurzer Zeitraum für ein solches Ereignis.

Grund dafür war mutmasslich starke Vulkanaktivität im heutigen Sibirien, die 2.5 Mal so viel Treibhausgase in die Atmosphäre beförderte, wie die Verbrennung sämtlicher fossiler Brennstoffe auf der Erde. Temperaturen stiegen auf 35 – 40 Grad Celsius an, es entstanden marine Todeszonen, in denen kein Leben mehr möglich war.
Der Einschnitt dieses Ereignisses, das zurecht als das grosse Sterben bekannt ist, war so gross, dass es nicht nur als Grenze zwischen Perm und Trias, sondern zwischen Erdaltertum und Erdmittelalter gilt.

Trias: Aufschwung der Dinosaurier

Nach dem tiefen Einschnitt des Aussterbens im Perm erholte die Erde sich in der Triaszeit. Eine enorme Artenvielfalt entwickelte sich, der die frühsten Dinosaurier angehörten. Diese waren aber wohl eher eine Randerscheinung und noch lange nicht die Riesenechsen, die wir aus der Kreidezeit kennen.

Doch auch diese Zeit währte nicht ewig. Vor 201 Millionen Jahren schlug das nächste Massensterben zu, das von der Fatalität her an das devonische Sterben herankommt. 75 Prozent der Arten verschwanden und erneut war der marine Raum besonders stark betroffen.

Erneut gilt als Ursache starke Vulkanaktivität, diesmal jedoch im heutigen Mittelamerika, das damals noch Teil des Superkontinenten Pangaea war. Noch heute findet man Reste der Lava in Nord- und Südamerika und Westafrika. Der Kohlenstoffdioxidgehalt der Atmosphäre vervierfachte sich, die Temperatur stieg und Ozeane wurden sauer, sodass der Aufbau einer Kalkschale für die Meeresbewohner stark erschwert wurde.
An Land wurden die damaligen Spitzenräuber ausgerottet und machten Platz für den Aufschwung der Dinosaurier.

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Kreide: Der ikonische Asteroid

Das wohl berühmteste Massenaussterben unserer Erdgeschichte fand vor 66 Millionen Jahren am Ende der Kreidezeit statt. Sein Bekanntheitsgrad liegt nicht allein daran, dass es das jüngste solche Ereignis ist oder an den legendären Riesenechsen, deren Ära schlagartig beendet wurde. Auch die Ursache macht das letzte grosse Sterben einzigartig.

Als ein Asteroid mit grob zwölf Kilometer Durchmesser in Yucatàn auf die Erdoberfläche traf, entstand ein mehr als zehn Mal so grosser Krater. Staub, Dreck und Schwefel wurden in die Atmosphäre geschleudert und verdeckten die Sonne für 18 Monate. Die Nahrungskette brach ohne den Treibstoff für die Photosynthese zusammen. Pflanzen starben, gefolgt von Pflanzenfressern und schlussendlich Räubern. Vom Aufprall wurden Flutwellen und starke Erdbeben ausgelöst und nach der kurzweiligen Temperatursenkung stieg sie erneut übermässig an. Wieder hatten Vulkane ihre Finger im Spiel, einige gehen sogar davon aus, sie wären vom Aufprall des Asteroiden ausgelöst worden.

Zwar gilt dieses jüngste Massenaussterben als das schwächste der fünf, trotzdem starben an die 75 Prozent der Arten aus.

Aktuelle Klimakrise als Nummer 6?

Mit der aktuellen Klimaerwärmung und der Gefährdung und Ausrottung unzähliger Arten stellt sich nun die Frage, ob wir uns auf dem besten Weg zu einem weiteren Massenaussterben befinden.

Ein Massenaussterben gilt als solches, wenn 75 Prozent der Arten aussterben, wird aber öfters auch bei besonders Starken Einschnitten in die Flora und Faune verwendet. Von einem solchen Wert sind wir zwar noch ein gutes Stück entfernt, doch unser Tempo ist besorgniserregend. Geht es mit unseren Zahlen so weiter, könnte es bereits in weniger als tausend Jahren zu einem neuen Massenaussterben kommen.

Gleichzeitig gibt es mit Blick auf die vergangenen Artenaussterben gewisse Hoffnung. Selbst bei einer Aussterberate von über 90 Prozent hat sich das Leben hartnäckig gehalten. Nicht nur das: Nach jedem dieser fünf Ereignisse erhöhte sich die Artenvielfalt. Ob wir Menschen es allerdings schaffen werden, ist zu bezweifeln.

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