Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich das Gefühl nicht willkommen zu sein. In diesem Artikel berichte ich davon, wie ich und meine zwei Freundinnen die letzten Tage unserer Südamerikareise in Cusco erlebt haben.

Entspannter Start

Unsere Reise durch Südamerika hat Anfangs Februar in Buenos Aires gestartet. Das Coronavirus war zwar schon ein allgegenwärtiges Thema in den Medien, doch es war noch nicht wirklich greifbar. Niemand hatte geahnt, dass sich fast die ganze Welt in wenigen Wochen im Lockdown befinden wird. Im Februar konnten wir unsere Reise somit ohne Bedenken geniessen. Das Virus war weit weg und Social Distancing ein Fremdwort. Anfangs März kamen dann die ersten besorgniserregenden Nachrichten aus Europa. Doch diese brachten noch keine Konsequenzen für uns mit sich. Es gab keine neuen Regeln zu beachten und an einen frühzeitigen Reiseabbruch war sowieso nicht zu denken.

Alles halb so wild

Am Freitag, 13. März, als in der Schweiz die ersten spürbaren Massnahmen getroffen wurden, veränderte sich auch die bis anhin entspannte Lage in Peru. Es kursierten unzählige Gerüchte bezüglich peruanischen Massnahmen und man konnte nicht unterscheiden zwischen offiziellen Informationen und Fake News. Nicht einmal die Schweizer Botschaft in Cusco konnte weiterhelfen. So entstand eine seltsame Atmosphäre im Hostel. Einige Touristen gerieten in Panik und suchten bereits im Internet nach Flügen. Andere hingegen wollten die Ernsthaftigkeit der Lage nicht begreifen und nahmen alles gelassen. Denn warum einen Rückflug buchen, wenn das öffentliche Leben in Cusco völlig normal schien? Keiner trug Masken und auch Sehenswürdigkeiten, wie der Machu Picchu konnten weiterhin besucht werden. Wir entschieden uns im Land zu bleiben, da wir erst Mitte April Peru verlassen würden und sich die Lage bis dahin sicherlich beruhigen wird. Doch so ganz ohne Sorgen konnten wir den restlichen Tag nicht mehr geniessen. 

Es muss schnell gehen

Am Tag darauf, 14. März, bestiegen wir noch eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Peru, den Rainbow Mountain auf 5200 Meter über Meer. Mit dabei hunderte andere Touristen, welche sich so wie wir nicht von den gestrigen Nachrichten erschrecken liessen. Die Warnungen gerieten im Gedränge der Menschenmasse in Vergessenheit. Doch dies sollte sich schnell ändern. Als wir am späten Nachmittag zurück in Cusco ankamen, war zwischenzeitlich das Chaos ausgebrochen. Die Regierung hatte ein Ein – und Ausreiseverbot für alle Europäer ab dem 16. März verhängt. Alle müssen das Land schnellstmöglich verlassen, ansonsten droht eine zweiwöchige Quarantäne.

Dazu gaben die Einheimischen den Europäern die Schuld, das Virus nach Südamerika gebracht zu haben. Eine wie bisher harmonische Reise durch Südamerika wäre wohl nicht mehr möglich gewesen. Durch diese Nachrichten war somit auch für uns klar, dass wir nicht mehr bleiben können. Wir suchten sofort nach Flugverbindungen, welche uns am 15. März noch vor Mitternacht aus dem Land bringen. Doch es war unmöglich, da Flüge innerhalb der nächsten 24 Stunden nicht mehr online gebucht werden können. Unsere einzige Möglichkeit war somit ein Flugticket direkt am Flughafen zu buchen. Wir packten unsere Sachen in wenigen Minuten und fuhren mit dem Taxi um 18:00 Uhr zum Flughafen.  An diese Taxifahrt kann ich mich nur noch wage erinnern. Ich weiss nicht mehr genau, was mir in diesem Moment durch den Kopf schwirrte. Es ging alles so unfassbar schnell und ich hatte keine Zeit die Situation zu realisieren.

Wie bereits erwartet, waren wir nicht die einzigen Touristen, welche am Flughafen versuchten einen Flug zu buchen. So warteten wir ungeduldig in der Schlange und bangten um einen Sitz zurück in die Schweiz. Als wir endlich an der Reihe waren, suchte ein Mitarbeiter über eine Stunde nach einem passenden Flug, denn entweder waren die Flüge bereits ausgebucht, machten einen Zwischenstopp in Länder, welche die Grenzen für Europäer bereits geschlossen hatten oder waren schlichtweg zu teuer, da nur noch First Class Plätze übrig waren. Als wir die Hoffnung schon fast aufgegeben hatten, konnten wir doch noch einen Flug finden, welcher uns rechtzeitig aus dem Land bringen kann. Wir würden am 15. März um 18:00 nach Bogota fliegen und von dort aus um 22:30 weiter nach Madrid. Die Umsteigezeit in Bogota betrug jedoch nur 30 Minuten. Eine Verspätung im Flugplan wäre somit fatal und wir würden in Kolumbien festsitzen. So verliessen wir den Flughafen drei Stunden später völlig erschöpft und je CHF 2300.- leichter.

Warteschlange im Flughafen
Warteschlange im Flughafen

In der letzten Nacht vor unserem Rückflug schlief ich unruhig und wachte immer wieder auf. Meine Gedanken schwirrten im Kopf umher und ich konnte nicht fassen, dass wir bald unseren Rückflug in die Schweiz antreten würden. Doch ich musste auch immer wieder an den einen Satz denken, welcher der Mitarbeiter der Fluggesellschaft nach der Buchung des Fluges gesagt hatte. „Ihr solltet euch glücklich schätzen überhaupt das Privileg zu haben euch einen solch teuren Rückflug leisten zu können.“ Er hatte recht und ich versuchte aufzuhören mich über meine Situation zu beklagen.

„Ihr solltet euch glücklich schätzen überhaupt das Privileg zu haben euch einen solch teuren Rückflug leisten zu können.“

Die letzten Stunden vor unserem Flug verbrachten wir noch in der Stadt. Obwohl nun klar war, welche Massnahmen in Peru ab dem 16. März gelten werden, sah der Alltag völlig gelassen aus. Menschen tummelten sich auf Plätzen, gingen einkaufen oder sassen entspannt in Cafés. In uns kamen erste Zweifel auf. War es wirklich die richtige Entscheidung die Reise abzubrechen? Was wenn in zwei Wochen alles wieder normal sein wird? Haben wir völlig überreagiert? Wir stiegen somit mit einem beklemmenden Gefühl in das Flugzeug und hofften, dass wir nicht falsch gehandelt haben.

Nervenaufreibende Heimreise

Die Stimmung im Flugzeug war sehr bedrückend. Überall Passagiere, welche mit Masken ausgerüstet hysterisch ihre Sitzplätze desinfizierten. Wenn sich jemand nur räusperte, zog man bereits misstrauische Blicke auf sich. Nach vier Stunden Flugzeit kamen wir wie geplant in Bogota an. Doch statt wie empfohlen einen Sicherheitsabstand zu anderen Passagieren einzuhalten, standen alle dicht gedrängt aneinander in einer Schlange. Denn die Flughafenpolizei mass jedem Reisenden die Temperatur. Ich wollte gar nicht wissen, was mit denjenigen geschah, welche Fieber hatten. Doch eines war sicher, weiterfliegen wäre nicht mehr möglich gewesen.

Meine Stirn fühlte sich durch den Stress und Schlafmangel schon ganz heiss an und ich befürchtete schon das Schlimmste. Doch der Thermometer mass glücklicherweise keine erhöhte Temperatur. So eilten wir auf den Anschlussflug und hofften, dass dieser rechtzeitig starten konnte, damit wir noch vor Mitternacht in der Luft sind. Pünktlich um 22:30 war es dann so weit und das Flugzeug verliess den kolumbianischen Boden. Endlich konnten wir durchatmen. Wir waren zwar noch nicht auf dem Weg in die Schweiz, doch zumindest nach Europa. 

Auf dem Weg nach Europa
Auf dem Weg nach Europa

Der Nachtflug war lang und anstrengend. Nach etwa neun Stunden Flugzeit kamen wir kurz vor Mittag in Madrid an. Der damals aktuelle Hotspot vom Virus. Wir freuten uns auf ein wenig Abwechslung und spanische Tapas. Doch ein menschenverlassener Flughafen erwartete uns. Alle Läden und Restaurants waren zu. Das war für mich der erste Moment, in dem ich wirklich realisierte, wie schlimm die Lage war. Denn ein Flughafen ist normalerweise immer laut, hektisch und voller Leben, doch an diesem Tag war es unheimlich still.

So verbrachten wir unseren achtstündigen Aufenthalt auf einer Bank und assen irgendwelche Snacks aus dem Verpflegungsautomaten. Um 20:00 stiegen wir dann in den letzten Flug zurück nach Zürich. Nach drei Flügen, 23 Stunden Reisezeit und 7 Stunden Zeitunterschied kamen wir völlig erschöpft aber unendlich froh Zuhause an.

Wenn ich heute auf diese Tage zurückblicke, bin ich froh, dass wir schlussendlich rasch gehandelt haben. Die Quarantäne in einem fremden Land und zudem zu dritt in einem kleinen Hostelzimmer zu verbringen, wäre sicher nicht leicht gewesen. Es ist zwar schade, dass wir unsere Reise nicht wie geplant durchführen konnten, doch ich bin mir sicher, dass sich diese Gelegenheit noch bieten wird. 

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