Mit der Übergabe des eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses erhielt ich im gleichen Zug einen Gutschein für einen Schnupperflug in einer Cessna 152. Das ist ein Flugzeugtyp, für alle, denen der Begriff spanisch vorkommt. Ausserdem ist es ein 2-Plätzer und ich sass am Steuer.

Verrückt? Ja, vielleicht.
Aber wie kam es dazu?

Eigentlich interessiere ich mich kein bisschen für Flugzeuge (oder jegliche andere Art von Fortbewegungsmitteln), aber zu fliegen, das erschien mir magisch. Und so wusste ich gegen Ende der Ausbildung, dass ich trotz des verlockenden Angebotes keinen Städtetrip möchte, sondern diesen einen 45-minütigen Schnupperflug über das bebaute Zürchergebiet und das etwas grünere Zugerland.

Ein Start ins Ungewisse.

Das Fliegen lässt sich gut vergleichen, mit meiner Lebenssituation als 19-Jährige. Es ruckelt. Es wackelt und ich kralle die Hände an das Steuergerät, während das Flugzeug an Geschwindigkeit zunimmt. Dann ist das Holpern verschwunden und die Nase der Cessna richtete sich gegen den blauen Himmel. Steil nach oben und mit einer leichten Rechtskurve zielen wir auf die empfohlenen Höhenmeter hin. 4000 Fuss. Nach einer Weile beruhigt sich das Flugzeug und ich blicke überwältigt nach unten. Winzig. Alles scheint unglaublich winzig und nichtig.

Der Mensch, der sich als so wahnsinnig wichtig darstellt, ist bei näherem Bedenken doch so klein und verletzlich.
Und so kam ich mir nach Abschluss meiner Berufslehre vor. Schwerelos und doch war es ein Start ins Ungewisse. Ich fühlte mich grossartig, hatte die drei Jahre bezwungen und alles schien unglaublich klein. Obwohl ich doch eigentlich nicht wusste, was als Nächstes kommen sollte. Aber während der Anfang steil, rau und wackelig ist, wird man nach gewisser Zeit immer sicherer und stabiler und weiss sich selbst zu helfen.

Zwei oder drei ganze Drehungen im 40° Winkel, ein Schlenker über mein eigenes Zuhause und einige schaukelnde Wendungen später, setzten wir dann zur Landung an.

Eigentlich hast du alles unter Kontrolle.

Wir schwadern, die Cessna dreht sich seitwärts. Alles ist unter Kontrolle, natürlich, aber ich verkrampfe mich und hoffe, dass wir uns nicht überschlagen. Die Erde rast auf uns zu und ich erwarte einen heftigen Ruck, doch ganz sanft rutschen die Räder über die Grasbahn und langsam kommt das Gerät zum Stehen. Wow. Das Kribbeln in meinen Fingern lässt kaum nach, ich löse den Gurt und springe – autsch mit dem Kopf am Flügel angestossen – aus dem Flugzeug.

Schlussendlich sind wir alle gleich.

Ein Adrenalin-Stoss. Ein Gefühl der Freiheit. Der Moment im Hier und Jetzt und alles andere, was mich soeben plagte, ist für einen Moment nichtig. So fühlte ich mich in der engen zweier Kammer der Cessna 152. Nicht schwerelos, nein, es surrte und brummte durch und durch. Ich hatte Boden unter den Füssen. Ich war sicher. Gequetscht in diese kleine Kammer, aber sicher. Der Ausblick auf die kleinen – man könnte meinen – Spielzeugautos und Spielzeugmenschen, gibt mir das Gefühl, alles schaffen zu können. Denn keiner ist über mir. Keiner kann mich niederzwingen. Nichts und niemand ist grundsätzlich befähigt dazu, mir überlegen zu sein.

Von da oben sind alle gleich. Von da oben, sind wir lauter gehetzte Menschen, die von einem Ort zum anderen eilen und befürchten, wir könnten etwas verpassen. Keiner schlechter, keiner besser – ob reich oder arm, ob Punk, Hippie oder Wanna-Be Banker, von da oben spielt es keine Rolle. Tatsächlich sollte man sich des Öfteren die Zeit nehmen und die Welt von oben betrachten. Subjektiv, ohne jegliche Vorurteile. Den Moment geniessen, wie er ist und sich nicht über alltägliche Dinge beschweren, die doch nicht von Belangen sind.

Es geht bergab und wieder bergauf.

Nach 45 Minuten hatte ich wieder festen Boden unter den Füssen. Während sich mein Blutdruck nach wie vor auf 4000 Fuss befand, versuchte ich mich mit langsam zu beruhigen. Und gelegentlich das Dauergrinsen abzustellen. Obwohl ich soeben das schönste Lebenshoch-Gefühl aufgeben musste.
Das Gleiche galt für den Moment, nachdem ich zitternd den Umschlag der Berufsschule mit meiner LAP-Note erhielt. Ein Gefühl der Erleichterung, Tage von Höhenflügen folgten und heute befinde ich mich im Ernst des Lebens. Es ging vom höchsten Glücksgefühl wieder nach unten. Denn niemand befindet sich sein Leben lang in der Luft, am Ende geht es immer wieder bergab. Selbst der erfahrene, fast pensionierte Pilot, der neben mir gesessen ist, muss gelegentlich auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Eine fast tragische Erkenntnis.

Was will ich jetzt machen? Mein Abschluss ist tatsächlich komplett.
Was nun?
Was zur Hölle mach ich nun?

Keine Ahnung.

Ach, da wäre dieses fast perfekte Studium, und wow, jenes würde ich auch gerne machen. Ich denke, jeder hat diesen einen Traumjob, der doch ganz cool wäre. Aber vielleicht sollte man doch etwas realistisch bleiben.

Realistisch auf dem Boden bleiben. Ja, vielleicht …

Oder vielleicht sollte ich auch einfach abheben und es ausprobieren.

Geschrieben von:

auf der Suche nach etwas Inspiration

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