„Frisch von gestern“
Ein Werbespruch der etwas anderen Sorte, wo doch normalerweise nur das Frischeste gut genug ist. An der Eingangstür jeder Äss-Bar Filiale wirbt dieser Slogan für alte Frische. Es wird darin aber kein Widerspruch gesehen: „Die Produkte von gestern sind immer noch einwandfrei und haben einen Wert!“, sagt Luzia Winteler, Filialleiterin der Äss-Bar St. Gallen. Somit werden die Verkaufsstellen ihrem Namen gerecht: Sie verkaufen einwandfreie Ware vom Vortag aus regionalen Bäckereien, die zweifelsohne noch (ä)essbar sind.
«Die Produkte von gestern sind immer noch einwandfrei und haben einen Wert!» -Luzia Winteler, Filialleiterin der Äss-Bar St.Gallen
Beim Eintreten ins trendig eingerichteten Ladenlokals könnte man meinen, man sei in einer normalen Bäckerei gelandet. Hinter der Glasvitrine leuchten in knalligen Farben die schönsten Fruchtdesserts, daneben verschiedenste Brötchen und der Verkaufsschlager; die Sandwiches. Traditionell in Körben an der Rückwand gelagert auch noch eine Auswahl an Broten. Aussehen tut alles fast so, als käme die Ware frisch vom Backofen. Nur der fehlende Gipfeliduft, der typischerweise in jeder Bäckerei im Raum sitzt, fehlt. Aber vielleicht verleiht genau dieses Manko dem Ganzen Sympathie und Bodenständigkeit.
Im Mai eröffnet in Basel die siebte Filiale
Hier ist man mit jedem Duzis, verschiedenste Menschen verschmelzen zu einer einzigen Kundschaft und schlichte Lieferpaletten finden sich zu Möbeln geschreinert wieder. Einfachheit und Gastfreundschaft werden hier leidenschaftlich gelebt. So gehen zwischen herzhaftem Gelächter und neugierig auskundschaftenden Blicken täglich kiloweise Backwaren und Patisserie zu Schnäppchenpreisen über die Theke. „In einem Jahr hat die Ässbar- Kette mit seinen sechs Filialen die Entsorgung von 250 Tonnen einwandfreier Backwaren verhindert und somit eine CO2-Reduktion von 225’000 kg erreicht!“, erklärt Luzia stolz. Bald wächst die Zahl noch weiter, denn im Mai kommt am Standort Basel die siebte Filiale dazu.
Partnerbäckereien unterstützen die Idee der Äss-Bar gerne
Neue Filialen bedeuten, dass auch zusätzliche Partnerbäckereien ihre Waren vor der Mülltonne beziehungsweise vor der Biogasanlage bewahren und stattdessen der Äss-Bar liefern. Vieles spricht für diese Zusammenarbeit. Die Partnerbäckereien werden wann immer möglich erwähnt. Zudem erhalten sie einen Anteil vom Umsatz, den die Äss-Bar mit dem Weiterverkauf ihrer Produkte macht. Die Äss-Bar könnte zwar als Konkurrenz für die Bäckereien gesehen werden, Tanja Haltinner von der Bäckerei Kuhn sieht die Situation jedoch pragmatisch: „Wir haben verschiedene Kunden mit verschiedenen Bedürfnissen, so geht es für alle auf.“
Es ist eine Win-Win Situation
Stefan Bischof vom Kafi G-Nuss, das seinen Standort ausgerechnet an der gegenüberliegenden Strassenseite der Äss-Bar hat, ist auch optimistisch: „Es kann auch Werbung für später sein, wenn ein Kunde der Äss-Bar ein Produkt von uns probiert und das einmal frisch haben möchte.“ Ein Umstand, der ebenfalls einen Werbeeffekt bringen kann: Es gelangen jeweils nur die übriggebliebenen Produkte in die Äss-Bar. Ein Dessert, das am einen Tag in der Äss-Bar im Angebot war, könnte am anderen Tag nicht zur Auswahl stehen. Wenn der Kunde aber genau dieses haben möchte, geht er in die Ursprungsbäckerei. Für die Bäckereien kann die Kooperation sogar umsatzsteigernd sein. Zu wissen, dass die allenfalls überschüssige Ware noch einmal angeboten wird, erlaubt es, die Vitrinen bis abends voll aussehen zu lassen. Das Bild von vollen Regalen und grosser Auswahl lockt die Kunden an und fördert somit den Umsatz. Die Überproduktion, die für dieses Bild in Kauf genommen wird, ist dank des Weiterverkaufs in der Äss-Bar vertretbar geworden. Auch aus dieser Perspektive ist die Zusammenarbeit ein Geben und Nehmen.
Das Gewissen spielt eine tragende Rolle
Die Motivation zur Kooperation mit der Äss-Bar wird von vielen Partnerbäckereien damit begründet, dass es ein gutes Gefühl verleiht, wenn man die Produkte nicht einfach so wegschmeisst. Dank der Zusammenarbeit mit der Äss-Bar werden die Produkte von Bäckereien ein zweites Mal den Konsumenten angeboten und bleiben dadurch länger in der Wertschöpfungskette. Erst wenn sie in der Äss-Bar ebenfalls am Feierabend zurückbleiben, wandern sie in die Biogasanlage. Wenn sie aber erfolgreich verkauft werden konnten, wurde die Wertschöpfungskette erfolgreich geschlossen.
Food Waste ist ein bekanntes Problem
Das Konzept der Äss-Bar ist ein wichtiger Schritt zur ökologischen Rückbesinnung und bringt uns endlich etwas weg von der Wegwerfgesellschaft. Das Thema Food Waste ist aber schon lange kein Fremdwort mehr. Konsumenten und Konsumentinnen, sowie Produzenten und Produzentinnen zeigen sich vermehrt besorgt um die aktuelle Lebensmittelverschwendung. Nach aktuellen Zahlen wird etwa ein Drittel aller produzierten Lebensmittel entsorgt. Diese Zahlen konnten viele wachrütteln und zum Handeln antreiben. „So ist Nachhaltigkeit zu einem Trend geworden. Umweltbewusst leben gehört mittlerweile zum Mainstream“, antwortete Tobias Etter in einem Interview mit Rachel Fassbind auf die Frage, warum das Wort Food Waste immer populärer geworden war. Beim nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln geht es einerseits darum Respekt gegenüber den Produzenten, der Natur und den Hungernden zu zeigen. Andererseits geht es auch darum, den Wert der Lebensmittel auszuschöpfen, indem sie als Zweitqualitätsware weiterverkauft, gespendet oder so weit, wie es ihre Frische erlaubt, verarbeitet werden. Als dritten Punkt laufen die Massnahmen gegen Foodwaste auch darauf aus, dass weniger produziert werden muss, was die Klimaerwärmung verlangsamen kann.
Die Äss-Bar leistet einen überwältigenden Beitrag im Kampf gegen Food Waste- Schweizweit!
Zu alldem bietet die Äss-Bar eine ganz einfache Möglichkeit für Jedermann, um sich gegen Food Waste einzusetzen. Die 250 Tonnen «geretteten» Backwaren durch die Arbeit der Äss-Bars in der Schweiz zeigen, dass ihr Engagement Wirkung erzielt. Das Konzept funktioniert dank der Partnerbäckereien und der Kunden. Die Gesellschaft ist auf das Problem Food Waste sensibilisiert und sie zeigt Bereitschaft dafür, sich zu engagieren. Leider gibt es noch zu wenig Möglichkeiten, um sich gegen Food Waste und für Nachhaltigkeit einzusetzen. Aber Kunde oder Kundin der Äss-Bar zu sein, ist für viele schon zugänglich und auch für dich – und dein Portemonnaie – ein guter Anfang!
Bildquellen
- Äss-Bar_Trendig-1100×733: www.aess-bar.ch