Es ist sechs Uhr morgens, als ich zum lauten Piepsen und Surren meines Weckers aufschrecke. Die Zahl auf dem Zifferblatt ist auch nach vier langen Jahren erschreckend und lässt mich nur zaghaft aus dem Bett steigen. Ich bin schweissüberströmt, und blicke als erstes erschöpft von der schwitzenden Nacht mit den Augen an die Decke gerichtet da. Nach mehrmaligen Aufrappeln, schüttle ich die kuschelige Decke von meinen Gliedern und richte mich, mit einem Knacksen im Rücken und einem Stöhnen aus der Brust, auf. Obwohl das Zimmer noch dunkel ist, scheinen bereits die ersten Sonnenstrahlen durch die undichten Fensterläden. Ich reibe meine müden Augen, taste mit der linken Hand nach meiner Brille und setzte diese mit halb geschlossenen Lidern auf.
So sitze ich, angeknackst vom vergangenen Wochenende, etwas neben den Schuhen und definitiv mit dem falschen Bein aufgestanden, vornübergebäugt auf der Bettkante und streiche mir durch das wirre Haar. Einatmen. Ausatmen.
Der Ruf meiner Mutter aus der Küche, lässt mich kurz aufschrecken. Dann richtige ich mich mit Schwung auf und watschle schlaftrunken in die Küche, um mir meinen morgendlichen Kaffee zu genehmigen. Ein Kuss der Mutter auf die Stirn, ein «Bis heute Abend» und ein kurzes Nicken meinerseits – dann bin ich alleine in der Wohnung und versuche zwanghaft nicht in einen Traum zurückzufallen. Obwohl die Versuchung um einiges grösser ist, als in 20 Minuten den Bus zur Arbeit zu erwischen. Ein weiteres Mal sinniere ich über die Notwendigkeit des Arbeitens zu Sommerzeiten nach und tüftle Kaffeeschlürfend über an meiner frühzeitigen Pensionierung mit 20 Jahren. Nach einer kalten Dusche, die sogar eine Leiche zurück ins Leben rufen könnte, stehe ich zitternd, in ein Badetuch eingewickelt vor dem Spiegel und blicke in das zermürbte und eingefallene Gesicht einer jungen Erwachsenen. Ein Anblick, der bestimmt nicht nur auf die sinkende Motivation bei 35°C in langen Hosen zu arbeiten, zurückzuführen ist. Vermutlich. Wer weiss.
Der Sommer hat in der Tat seit dem Beginn meiner Ausbildung an Reiz verloren, da ich den gefühlten Tag in einer einzigen Saune verbringe, die auch gegen fünf Uhr Abends nicht abzukühlen scheint. Während sich Freunde und Bekannte unter der heissen Sonne bräunen und bald mit echten Spaniern zu verwechseln sind. Abgesehen vom spanisch, eine Sprache, die vermutlich keiner dieser Menschen richtig beherrscht. Sonne und Wasser. Eine Kombination, gemeinsam mit Strand, das perfekte Angebot für Jugendliche meines Alters. Und dem stimme ich bestimmt zu, hätte ich meine Ferien nicht bereits zu Beginn des Jahres restlos aufgebraucht.
Ich wende meinen Blick ab vom Spiegel, versuche die tiefen Augenringe gekonnt mit Concealer zu überdecken und ziehe dann mühselig meine blaue Jeans und ein schulterbedeckendes weisses Shirt an. Obwohl weiss nicht meinem Teint schmeichelt, versuche ich die Aufmerksamkeit nicht auch noch gewillt auf mich zu richten.
Um halb sieben verlasse ich das Haus und bin froh, dass die Luft draussen noch einige Grad kühler ist. Ich schlendere zur Bushaltestelle und muss sogleich einen kurzen Sprint hinlegen, um den bereits heranfahrenden Bus nicht zu verpassen. Vorbei mit der kühlen Luft! Meine Jeans quitschen und scheinen bald zu reissen, während ich mich schwer atmend an der Fahrstange festhalte und sich der Bus gefüllt mit aufgestellten und schreienden 1. Klasse Schülern in Bewegung setzt.
Die Hitze, die die Schüler ausstrahlen ist unbeschreiblich und nach der 10 Minuten fahrt stürze ich mich aus dem heissen Gefährt und werde draussen von einem warmen Sonnenstrahl begrüsst. Der restliche Weg zur Arbeit verläuft gleich. Auch während meiner täglichen Arbeit mit Bücher versorgen, bücken, auf die Zehenspitzen stehen, bücken, Treppe rauf, Treppe runter, kann sich mein Energieverbrauch kaum senken.
Arbeiten im Sommer ist eine Qual, beim Gedanken an Arbeiter die an der prallen Sonne Strassen und Häuser pflastern bzw. bauen kühlt sich mein Gemüt aber bereits wieder etwas ab. Nichts desto trotz nutze ich natürlich die Möglichkeit und springe so oft wie möglich in das warme Wasser des naheliegenden Sees, und geniesse das wunderbare Wetter (um mich dann vermutlich wieder in eine viel zu enge Jeans zu quälen und morgens schweissüberströmt aufzuwachen). Aber es lohnt sich. Denn eigentlich ist der Sommer ohne Jeans und die Not weisse Shirts anzuziehen, aber mit etwas mehr Glacé und Wasser und langes Aufbleiben bis spät in die Nacht, etwas wunderbares.