Als die Sonne langsam aufging über Berlin-Marzahn wurde mir mal wieder etwas klar. An manchen Tagen ist Berlin verdammt hässlich. Schmierereien auf Strassenbahnen und Wänden in der ganzen Stadt, Mülleimer die mehr Müll neben als in sich haben und eine so grosse Menge an Plattbauten das selbst die Skyline Berlins praktisch selbst zu einem grauen Betonklotz wird. Doch ist sie ebenso meine Geburtsstadt, die Stadt, mit der ich das Wort Heimat mit am besten verbinden würde. Wobei ich doch eigentlich nichts über diese ständig sich verändernde Stadt weiss. Diesem Gedanken bin ich ein wenig nachgegangen und deshalb hier mein persönliches Essay über meine „unbekannte Heimat“. Doch erstmal ein wenig mehr über mich:
Mini-Biografie eines Ausländers
Es ist um die 12 Jahre her, das meine Eltern mich und meine Zwillingsschwester miteinpackten und in die Schweiz zogen. Ich damals noch ein 6-jähriger Knirps hatte vom grossen Berlin nur ein paar wenige Erinnerungen. Über Umwege im Aargau und in Zürich bin ich nun unter der Woche im Kanton Bern unterwegs. Zu meinen Kollegen meinte ich dann immer von der einen Hauptstadt mit Bären zieht es mich in die andere. Berlin besuchte ich bis dahin mindestens einmal pro Jahr, einmal sogar zwei Wochen allein, Couchsurfing bei einem Verwandten zum anderen. Ich konnte einfach gar nicht anders als stehts in diese doch schon damals mir fremde Stadt zurückzukommen.
Ein Stück Papier alles entscheidend?
Eine Frage, die ich mir seit gut der Oberstufe immer wieder anhören durfte, war die Frage des Passes. Dadurch das ich den Schweizerpass nicht besitze, konnte ich mir die Frage immer wieder anhören: Willst du nicht irgendwann mal den Schweizerpass haben? Abgesehen davon, dass ein Stück Papier allein über die Herkunft von einem entscheiden soll, bittet der Deutsche Pass manch einen Vorzug grad eben noch. So gibt’s gegenüber der Schweiz in Deutschland keine Wehrpflicht mehr, heisst das ich gegenüber anderen nicht mehrere Wochen im Jahr aus meinem normalen Umfeld gerissen werde. Die Frage des Passes bleibt am Ende ebenso verbunden mit der Frage zur Identität.
Alexanderplatz als Zentrum der Sprache?
Quirlig war es, auf dem Alex unter dem Fernsehturm tummelten sich Jung und Alt, mitten drin ich. Ein 1,90m Riese mit, wie mir meine Tanten und Onkeln sagten einem klaren feinen Hochdeutsch. Fragezeichen bei mir, doch so besitze ich laut ihnen halt keinen Dialekt. Was tatsächlich ungefähr der Wahrheit entspricht, ich sage statt Icke Ich, Bölle ist für mich ein Ball und Giele ist für mich ein Junge. Also sprachlich bin ich am Ende in der Schweiz ein Deutscher und in Deutschland nicht zuortbar. Wobei sei es in den Strassen Berlins oder Interlakens (Wohnort und Schweizer Touri-Mekka) einfach faszinierend ist unterschiedliche Kulturen und Sprachen miteinander harmonieren zusehen.
Was zählt denn jetzt eigentlich?
Es sind Fragen der Sprache, des Passes, des Gefühls etc., welche für viele entscheidend sind wo man für einen hingehört oder welchem Staat man ebenso angehört. Manch einer will einem sogar vorschreiben wo man hingehört und das man gar nicht in «sein» Land sein soll. Heimat ist für mich persönlich ein Begriff, den jeder für sich selbst definieren muss. Ich will in diesem Beitrag niemandem vorschreiben was Heimat heisst, sondern habe ich mich selbst hinterfragt was Heimat eigentlich bedeutet für mich. Wobei ich einfach erkennen musste das beides seine Nachteile wie Vorteile hat.
Du kannst so schön schrecklich sein
Peter Fox (Berliner Rapper) fand für mich hier den richtigen Titel zum Schluss. So entpuppen sich viele Schmierereien als wahre Kunstwerke, Berlins Mülleimer sind zwar dreckig aber verschönern einem wenigsten mit frechen Sprüchen stets den Tag und gegen Plattbauten steht das Brandenburger Tor, die Reste der Mauer, die Gedächtniskirche oder die Humboldtuni entgegen. Zum Schluss habe ich die Stadt einfach in mein Herz geschlossen. So mag der Begriff Heimat eh für viele etwas anderes bedeuten doch mindestens als meine Erste Heimat bleibt Berlin in meinem Herzen.
Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Best-Ofs 2018 noch einmal aufgeschaltet. Wir bedanken uns bei dir, lieber Lenard, herzlich für deinen Einsatz bei Tize!
5 Comments
Hallo Lenny, Dein Vater war so freundlich mir Deinen Artikel zu senden. Hatte mir Freude gemacht ihn zu lesen. Ich betrachte ihn aber als einen Anfang der Gedankenkette, die sich unweigerlich mit dem Wort Berlin beginnt zu bilden.
Eine kluge Frau, Name gerade nicht parat, schrieb einmal sinngemäß: » Berliner sind vorlaut und arrogant, Berlin ist laut und dreckig, überall Baustellen, aber ich bedauere all diejenigen, die hier nicht leben. » In diesem Sinne, Lenny, auf bald in Berlin. Grüße von André an der Spree ( resp. Kollwitzstr.)
Ein sehr schöner Artikel, wie ich finde. Interessant mehr über dich zu erfahren und wie du in Beziehung zu Deutschland und der Schweiz stehst, gerade Berlin, eine besondere Stadt. Deine Worte bringen einem zum Nachdenken.
Dir auch Danke für den tollen Kommentar bin ja ebenso nicht der einzige welcher sich mit zwei Nationalitäten herumschlägt😄🤔
wow mega schöne artikel!!
Dank dir 😆✌️