Der Strohhut sank ihm ins Gesicht, während der Maler mit vollen Armen probierte wieder etwas zu sehen, brannte die Sonne erbarmungslos nieder. «Fängt ja gut an» mochte er gedacht haben, nachdem er weiterging Richtung Weizenfeld. Unter einem Arm das Stativ mit leeren Leinwänden, in der anderen Hand den Malkasten mit seiner Palette. In letzter Zeit hatte er immer wieder hellere Farben benutzt, wodurch Gelb und Grün langsam zur neige gingen. Doch darüber machte er sich keine Gedanken, schliesslich würde er nach heute keine weiteren mehr brauchen. Die Sonne stand Golden über dem Feld und ein paar Raben nestelten zwischen dem Weizen herum. «Das würde es sein» dachte er sich und stellte sein Stativ auf und begann mit seiner Arbeit. Die Zeit verstrich ebenso wie er die Farben. Schliesslich wurde der Himmel immer rötlicher und das Bild war vollendet, «Jetzt könnte ein guter Zeitpunkt sein» mag er gedacht haben und holte die Pistole aus seinem Malkasten. Er stand vor seinem gerade fertig gewordenen Bild und richtete die Pistole auf sich.

Was mag man in so einem Moment denken? Vielleicht ging er die letzten Jahre seines Lebens durch. Die Tage wo er mit einem Freund zusammenleben und arbeiten wollte, jedoch nach ständigen Streitereien und Auseinandersetzungen sich selbst verstümmelte. Die danach kommenden Albträume und Wahnvorstellungen liessen ihn niemals richtig los. Dazu die Depression welche selbst an den hellsten aller Tage immer wieder ausbrach. Die Tage in der Nervenheilanstalt mit den Ärzten, die seine Bilder verschenken wollten. All die Menschen, die ihn als «Verrückt» und «Unheimlich» bezeichneten. Die Freunde, die er verschreckte. Mit anderen Menschen konnte er wirklich nicht, musste er sich eingestehen. Selbst mit der Liebe schien es nie zu funktionieren, ob verschreckt oder vom Vater verboten. Die grosse Liebe war für ihn nie erreichbar. Als Krönung verkaufte er ebenso nur ein Bild sein ganzes Leben lang.

Vielleicht kam nach all dem schlechten unserem Selbstmörder irgendwann die schönen Dinge im Leben in den Sinn. Seinen innig liebenden Bruder Theo, den er bald wiedersehen wollte, der ihn fast sein ganzes Leben lang zur Seite stand, emotional wie finanziell. Theos Sohn der vor kurzem erst ein Jahr alt geworden ist. Die wunderschönen Orte, die er gesehen hatte. Vom nächtlichen Paris bis zu den schönsten Feldern Süd-Frankreichs, allesamt waren schöner als die düsteren Kohlewerkstätten von London. Die erfolgreichen Ausstellungen mit seinem Bruder und seinen Freunden, wo er von Journalisten wie Menschen gefeiert wurde. Am Ende dachte er vielleicht ebenso an all seine Bilder, 864 Gemälde und über 1000 Zeichnungen fertigte er an. Von Bildern enger Freunde, Kopien seiner Vorbilder bis zu Sonnenblumen war alles dabei. Er wollte, so hatte er es in sein Testament geschrieben, sie alle vernichtet wissen. Sein Bruder rettete zum Glück alle und stellte sie aus. So hatte Vincent Van Gogh seinem Bruder Theo wieder etwas zu verdanken, jedoch hatte er da schon den Schuss ausgelöst.

 

Man muss sich nicht mit Kunst auskennen, um diesen Namen zu kennen. Heute gilt der mit gerade mal 37 Jahren Verstorbene als einer der bedeutendsten und beliebtesten Künstler aller Zeiten (bestätigt sogar von irgendeiner Meinungsumfrage). Van Goghs Tod gibt Kunsthistorikern selbst heut noch Rätsel auf. Ob er sich jetzt wirklich umbringen wollte oder nur, als Entschluss eines weiteren Anfalls sich verletzen wollte. Viele meinen sogar Van Goghs Schuss war eine Art Hilfeschrei an das Leben. Der Schuss selbst erlöste den Maler jedoch nicht von seinem Schmerz. Verletzt schleppte er sich zurück in sein Zimmer im oberen Stock eines Gasthauses. Zwei Ärzte kamen ihm zwar zur Hilfe, doch beide wollten aufgrund zu hohen Blutverlustes die Kugel nicht entfernen. Zwei Tage später starb Van Gogh aufgrund seiner Verletzung im Beisein seines Bruders mit den Worten «So möchte ich sterben».

Was Van Gogh wohl nie für möglich gehalten hatte, wurde wahr. Sein Lebenswerk wird von Menschen auf der ganzen Welt geteilt, bejubelt ja es ist schon fast ein Kult um Ihn entstanden. So schwer sein Leben ebenso war, so sehr wird er bewundert von manch einem geliebt für den Schmerz und die Probleme, die er ausdrückte. Ein Grund warum Van Gogh heut so beliebt ist, liegt sicherlich darin, dass jeder sich irgendwie wiederfindet in seinen Bildern. Seine Bilder sind durch die Menge an Werken ziemlich unterschiedlich und vielfältig (Siehe seine 35 Selbstporträts eines anders als das nächste). Doch alle sind verbunden durch den Schmerz und die purre Verzweiflung, die ein Mensch ein ganzes Leben begleitet hat. Schon fast komisch, dass solche Bilder heut so beliebt sind, doch Schmerz und Verzweiflung durchlebt ein jeder von uns jeden Tag. Vielleicht ist es dann ganz schön seinen Schmerz wiederzuerkennen oder sich einfach mal gehen zu lassen, in schönen Gedanken zu schwelgen, wenn man «Sternennacht», «Sorrow» oder eines der Selbstbildnisse sich ansieht. Bilder eines Mannes, der uns allen ein wenig ähnelt.

Ich stecke mein Herz und meine Seele in meine Arbeit – dadurch habe ich meinen Verstand verloren.

I put my heart and my soul into my work, and have lost my mind in the process.

-Vincent Van Gogh

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