Gross war die internationale Aufregung, als das kubanische Parlament am Sonntag in Havanna die Verfassungsreform guthiess. Mit einem Schlag wurde die kubanische Identität, die die Geschichte des Landes und das Leben der Menschen während den letzten 60 Jahren geprägt hatte, aus der kubanischen Verfassung gestrichen. Das Ziel der «Schaffung einer kommunistischen Gesellschaft» ist im Artikel fünf nicht mehr zu finden.

Privatbesitz wird legalisiert

Doch was bedeutet diese Verfassungsänderung wirklich? Am meisten zugutekommt sie dem privaten Sektor, der vom Staat von nun an nicht mehr nur geduldet, sondern sogar geschützt wird. Dass das ein logischer, zeitgemässer Schritt ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen. Beinahe 600’000 der 11 Millionen Einwohner sind heute bereits in der Privatwirtschaft tätig und machen damit 13 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung aus. Dank der Heraushebung dieser Menschen aus der rechtlichen Grauzone dürfte das Land in den folgenden Jahren einen wahren Wirtschaftsboom erleben. Plötzlich können ausländische Investoren ihr Geld auf der Karibikinsel anlegen und der bereits boomende Tourismus, der für Kubas Wirtschaft immer wichtiger wird, wird in den kommenden Jahren wohl noch mehr an Bedeutung gewinnen. Es ist ein Ausverkauf der kubanischen Identität und Seele. Doch für ein besseres Leben nehmen das die meisten gerne in Kauf.

Der Privatbesitz ist vom Staat nun offiziell anerkannt. Ein Bruch mit einem der wichtigsten Eckpfeiler der marxistischen Lehre. Da helfen auch Beschwichtigungen von staatlicher Seite nicht. Das kubanische sozialistische Modell solle erhalten bleiben, sagte der Sekretär des Staatsrats Homero Acosta. Auch weiterhin solle die Staatswirtschaft die bestimmende Kraft im nationalen Markt sein. Wie realistisch das ist, wird sich in den nächsten Jahren weisen.

Nicht gerüttelt wird dagegen am Einparteiensystem. Von freien Wahlen und Demokratie ist das Land noch immer weit entfernt, die kommunistische Partei wird auch in Zukunft klar das Sagen haben. Eingeschränkt wird einzig die Macht des Präsidenten. Die Reform sieht künftig eine Machtteilung zwischen dem Regierungschef und dem Staatspräsidenten vor. Damit werden diktatorisch anmutende Herrschaften wie die der Castro-Brüder in Zukunft nicht mehr möglich sein. Neu wird dafür wieder das Amt des Ministerpräsidenten eingeführt. Zusätzlich wird die maximale Amtszeit eines Präsidenten auf zwei fünfjährige Legislaturperioden beschränkt. Demokratie wird es in Kuba also auch in Zukunft nicht geben, die Macht der kommunistischen Partei wird jedoch in deutlich mehr Händen liegen.

Homo-Ehe wird möglich

Auch gesellschaftspolitisch ändert sich mit der Verfassungsänderung etwas im Land. Im Artikel 68 wird die Ehe neu als «freiwillig geschlossener Bund zwischen zwei Personen definiert“. Damit steht einer Homo-Ehe nichts mehr im Weg. Überraschend, dass sich im politischen Dialog, der sich in den vergangenen Tagen im Inselstaat entfacht hat, ein solches Thema am intensivsten diskutiert wird. Es ist die LGBT-Community, die hier ihre Chance erblickt hat und nun mit vollem Tatendrang und der Unterstützung von Castro-Tochter Mariela auf ihre neuen Rechte pocht. Neben der Homo-Ehe stehen auch Adoption und künstliche Befruchtung für homosexuelle Paare auf der Traktandenliste. Heftiger Widerstand kommt dagegen aus dem Lager der evangelikalen Kirche, die mit aller Kraft versucht, die gesellschaftliche Liberalisierung zu verhindern.

Diese Diskussion, sie ist symptomatisch für das politische Tagesgeschehen auf Kuba. Während man sich mit den kleinen strukturellen und wirtschaftlichen Öffnungen der kommunistischen Partei bereits zufriedengibt, entfachen gesellschaftliche Fragen, welche die Macht der herrschenden Hand nicht infrage Stellen, eine weit grössere Resonanz. Die Machtpolitik des Landes bleibt festgefahren. Und ob sich das Leben der Menschen nach jahrzehntelanger Armut und Misswirtschaft nun endlich verbessern wird, steht in den Sternen.

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