Die, die im Kanton Solothurn leben oder sich sonst mit dem Kanton auskennen, wissen über dieses Phänomen Bescheid. Solothurn und Grenchen, zwei Städte im selben Kanton. Dennoch könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Zwischen den beiden Städten herrscht nämlich eine seit langem anhaltende Rivalität.

Witze über Grenchner/innen und Grenchen als Stadt im Allgemeinen, sind in Solothurn nicht selten anzutreffen. Besonders an der Solothurner Fasnacht scheint die Produktion von Witzen über Grenchen auf Hochtouren zu laufen. In manchen Jahren haben manche Solothurner Zünfte oder Gruppierungen gar ihr ganzes Motto auf die Stadt im Westen des Kantons abgezielt. Vor zwei Jahren wurde von Unbekannten sogar das Wort «Grenchen» auf einem Strassenschild nahe der Stadt Solothurn übermalt, so dass nur noch die Richtung nach Biel ersichtlich war. Gleich verhält es sich auch auf der anderen Seite. Ebenfalls die Grenchner/innen halten nicht viel von der Hauptstadt des Kantons. Laut dem Grenchner Tagblatt beschwert sich die Grenchner Bevölkerung besonders über die Obrigkeit der Stadt Solothurn und über die Arroganz deren Einwohner. Besonders zur Sprache kommt da die langjährige Debatte über einen Autobahnanschluss. In vielerlei Hinsicht ist diese Rivalität also zwischen Solothurn und Grenchen vertreten. Doch woher kommt das?

Tiefe Wunden

Im Mittelalter beginnt die Suche nach der Antwort, weshalb sich die Städte Solothurn und Grenchen so in den Haaren liegen. Zu Gründungszeiten des Kantons Solothurn und des Beitritts zur Eidgenossenschaft, haben Solothurner Landvögte begonnen, kleinere Orte einzunehmen und sie zu Untertanengebieten zu machen. Manche dieser neueroberten Gebiete wurden mit den damaligen Berner Verbündeten gemeinsam regiert. Die Stadt, oder damals noch der Ort Grenchen, gehörte zu diesen Untertanengebieten dazu. Nach dem Chronisten der Grenchner Zeit, Rainer W. Walter, seien die tiefen Wunden der angespannten Beziehung zwischen den Städten inmitten des 19. Jahrhunderts offiziell nachzuweisen, wie es in einem Artikel dem Grenchner Tagblatt heisst. Nach diesem Bericht, hat der Biograf Gustav Freytag bereits in einem seiner Werke festgehalten, was die Solothurner über die Grenchner/innen in der Provinz dachten. Sie seien «kulturlose Gesellen», wie Freytag in der Biografie über den ersten Grenchner Bezirkslehrer, Karl Mathy, seine Beobachtungen schilderte.

Die ewige Konkurrenz

Auch wenn die tiefen Wunden der Rivalität bereits in langer Vergangenheit liegen. Die Spannung zwischen Solothurn und Grenchen ist immer noch da, auch nach so vielen Jahren. Wenn man die Geschichte der beiden Städte etwas genauer vergleicht, wird auch schnell klar warum. Grenchen blieb lange Zeit eine Dorfgemeinschaft, während sich Solothurn bereits im Mittelalter zu einer florierenden Stadt entwickeln konnte. Handelsleute aus der ganzen Eidgenossenschaft, wie auch aus Europa besuchten die Stadt, trieben Handel und nicht zuletzt auch das Geld in die Stadtkasse. Auch die Unterzeichnung des Sempacherbriefes und die Beteiligung an sämtlichen Schlachten an der Seite der Eidgenossenschaft, brachten der Stadt ein hohes Ansehen.

Nach der offiziellen Seite der Stadt Grenchen, versuchten sich im 16. und 17. Jahrhundert die Grenchner/innen gegen die Solothurner und Berner Herrschaft mehrmals zu erheben. Diese Versuche scheiterten, obwohl Grenchen zum grössten Bauerndorf Solothurns wurde.

Barock gegen Industrie

Ab dem 19. Jahrhundert wurde in Grenchen allmählich die Uhrenindustrie eingeführt. Dieser industrielle Wandel zeichnet das Bild der Stadt bis heute. Die Umgebung veränderte sich rasch. Aus dem vorherigen Bauerndorf wurde eine immer grösser werdende Industriestadt und konnte sich endlich mit dem alten Konkurrenten Solothurn messen. Die Bevölkerungsrate stieg an, weltweit bekannte Uhrenmarken wurden produziert und auch die Zuwanderung schritt fort. Menschen aus den verschiedensten Ländern wanderten in die Industriestadt aus, was dazu führte, dass die Einwohnerzahl auf einmal gleichauf mit der der Stadt Solothurn war. Heute liefern sich die beiden Städte ein ständiges Kopf-an-Kopf rennen, was diese Zahl betrifft. Grenchen misst um die 200 mehr Einwohner als Solothurn.

Solothurn blieb also die kulturelle Barockstadt, während sich Grenchen zum Industriemonopol des Kantons entwickelte. Auch durch die erhöhte Zuwanderung, die bis heute nicht abnimmt, erlang die Stadt eine grosse, kulturell durchmischte Gesellschaft. Dies kann positive, wie negative Folgen haben, wie einst eine Dokumentation des SRF zeigte.

In dieser Dokumentation wird hinter die Schattenseiten einer Stadt geblickt, die sich einer schnellen Globalisierung erfreuen durfte, ihr dann aber zum Opfer fiel. Eine hohe Arbeitslosigkeit, sowie eine tiefe Stimmbeteiligung beschäftigt die Grenchner Bevölkerung seit langem. Laut der Dokumentation, stimmen zwei Drittel der Einwohner nicht ab. Experten auf dem Gebiet der Politologie behaupten, dass dies ein Zeichen eines niedrigen Bildungsniveaus sei. Auch die zivile Bevölkerung Grenchens weiss schlecht damit umzugehen. Schweizer Einwohner meiden den Kontakt mit der ausländischen Bevölkerung und fürchten sich um das Schweizer Brauchtum, während sich ausländische Zuwanderer weigern, Deutsch zu lernen und sich integrieren zu lassen. Es ist ein Teufelskreis aus Ignoranz und vor allem Angst, auf beiden Seiten, die nichts Weiteres als eine kulturelle Spannung innerhalb der Stadt bringen. Eine Entwicklung, die meistens nur bei schnell wachsenden Industriestädten widerfährt und somit der Solothurner Bevölkerung erspart blieb.

Solothurn und Grenchen, die zwei unterschiedlichsten Städte des Kantons. Doch welche ist schöner? Nun, über diese Frage zu entscheiden, bleibt jedem selbst offen.

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