Depressionen im Kindes- und Jugendalter sind leider keine Seltenheit, doch kaum jemand spricht darüber. Erkrankte kämpfen oftmals mit der Angst über ihre Probleme zu sprechen, weil sie fürchten von ihrem Umfeld nicht ernstgenommen oder von der Gesellschaft verurteilt zu werden. Heute trifft Tize einen ehemaligen Betroffenen, der uns seine Geschichte erzählt.

Wer bist du?

Ich heisse David und ich bin neunzehn Jahre alt. Meine Leidenschaften sind das Essen und das Reisen. Momentan befinde ich mich in der Ausbildung zum Detailhandelsfachmann.

Wann hast du zum ersten Mal festgestellt, dass etwas nicht mehr mit dir stimmt?

Die ersten Anzeichen haben sich im Winter 2017 bemerkbar gemacht. Innerhalb einer Woche hat sich mein Leben schlagartig verändert, das Verlangen sozial zu interagieren war nicht mehr vorhanden. Ich habe mich in mein Zimmer verbarrikadiert und mich somit völlig von der Aussenwelt isoliert.

Sogar von deiner Familie?

Ja, sogar vor meiner Familie. Es ist kaum zu glauben, da die Familie eigentlich die erste Anlaufstelle für mich ist, aber in dieser Situation war sie es auf einmal nicht mehr.

Hast du in dem Fall mit niemandem darüber gesprochen?

Nein. Vorerst nicht, aber mit der Zeit suchte ich in sehr kleinen Schritten den Kontakt zu meinem besten Freund.

Wie ist er damit umgegangen?

Er ging sehr neutral mit der Situation um und hat mit der Zeit realisiert, dass es mir nicht gut geht. Nach einer gewissen Zeitspanne meiner Abwendung, habe ich irgendwann den Kontakt zu ihm wiederaufgebaut.

Wie sah dein Alltag mit Depressionen aus?

Mein Alltag war sehr monoton. Mein typischer Tag bestand aus vier Aktivitäten; Ich verbrachte unzählige Stunden damit, ungesunde Nahrungsmittel in mich hineinzustopfen, die restliche Zeit füllte ich mit Schlaf und dem Spielen von Games, ab und zu lag auch noch ein Gang zur Toilette drin.

Wie bist du mit der Krankheit umgegangen?

Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten, da ich zu dieser Zeit gar nicht gemerkt habe, dass ich am Leben bin. Jeder Tag zog einfach an mir vorbei, ich existierte, lebte aber nicht mehr, innerlich war ich schon lange tot.

Auf was denkst du, könnten deine Depressionen zurückzuführen sein? Gibt es gar einen Schuldigen?

Ich denke meine Depressionen entstanden einerseits aufgrund meiner Spielsucht, andererseits dadurch, dass ich kaum soziale Kontakte pflegte. Den Schuldigen sehe ich in mir selbst.

Hast du während deiner Krankheit Medikamente eingenommen oder andere Substanzen konsumiert?

Eigentlich nicht, abgesehen von den etlichen Energy Drinks, die ich tagein tagaus getrunken habe. Ende Woche waren schnell einmal vierzig Dosen auf meinem Zimmerboden verteilt.

Depressionen sind meist negativ behaftet, hast du aber auch Vorteile in ihnen gesehen?

Nein, ausser, dass ich nichts mehr machen «musste».

Hast du jemals an Suizid gedacht?

Nicht nur einmal. Oft habe ich mit dem Gedanken gespielt mein Leben zu beenden, zudem hat meine Ansicht «man braucht mich nicht» die ganze Sache noch exponentiell verstärkt.

Warst du eine Belastung für andere Menschen?

Ich denke nicht, da mich jeder in Ruhe gelassen hat und vice versa.

Wie bist du wieder aus den Depressionen herausgekommen?

Im Laufe der Zeit habe ich realisiert, dass mir mein bester Freund helfen wollte. Nachdem ich mich auf die Hilfe eingelassen habe, ging es mir von Woche zu Woche immer ein Stückchen besser. Nach ungefähr fünf Monaten war ich wieder lebensfroh, fast so, wie vor den Depressionen. Der Kampf war endlich vorbei.

Welche Folgen beziehungsweise Spuren haben die Depressionen hinterlassen?

Kurz nach den Depressionen hatte ich mit einer Gewichtszunahme, die während der akuten Krankheitsphase entstanden ist, zu kämpfen. Zudem hat sich mein Berufseinstig um ein halbes Jahr verzögert. Des Weiteren hatten sich durch meine Spielsucht finanzielle Probleme angehäuft.

Was würdest du Betroffenen raten?

Nicht alle haben das Glück, wie ich, es allein oder mit der Hilfe eines Nahestehenden aus den Depressionen zu schaffen. Deshalb rate ich euch, holt euch professionelle Hilfe, den Depressionen sind eine ernsthafte Erkrankung, die im schlimmsten Falle tödlich enden kann. Lasst euch auf Hilfe ein und getraut euch, euer Umfeld auf eure Erkrankung anzusprechen. Falls das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein sollte, gibt es auch eine Notrufnummer (147), bei der ihr anonym über eure Sorgen sprechen könnt.

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1 Comment

  1. Ein sehr professioneler Beitrag, finde ich Super!
    Die Thematik wurde gut ausgewählt und Detailreich geschrieben. Ich empfehle dem Schreiber weiter zu machen da ich sehr beeindruckt bin von der Arbeit.

    Lg Emanuel

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