Schon das zweite Spiel gegen Serbien an der diesjährigen WM in Russland liess die Schweizer Medienwelt auf Hochtouren laufen. Die umstrittene Adlergeste der Spieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri führten zum ersten «Skandal» an der WM 2018. Ist die Aufregung um den Torjubel gerechtfertigt? Wie die Schweiz in einen jahrzehntelangen Konflikt hineingezogen wird.

Auch noch nach einer Woche brennen die Diskussionen in diversen Social Media-Kanälen über die mittlerweile fast weltbekannte Adler-Geste der Spieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri. Bereits in der fünften Spielminute lag die Schweizer Nationalmannschaft gegen Serbien mit einem 1:0 im Rückstand. Doch so schnell die Gegnermannschaft in Führung kam, so schnell konnten die Schweizer in der Halbzeit das Spiel zu ihren Gunsten umkehren. So erzielten die beiden Spieler Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri die beiden Gegentore und führten ihre Mannschaft zum Sieg. Zwei Spieler mit albanischer Abstammung, die gegen Serbien antreten mussten. Doch was war der Auslöser des Hasses zwischen zwei Bevölkerungsgruppen, die einst im selben Staat ihre Heimat fanden?

Die Kosovofrage – ein ewiger Konflikt?

Der Konflikt um die Region des Kosovo ist bis ins Mittelalter zurückzuverfolgen. Für serbische Intellektuelle gilt die kleine Region zwischen Serbien, Albanien, Mazedonien und Montenegro als Ursprung ihrer Kultur und des damaligen serbischen Reiches. Auch die Schlacht auf dem «Kosovo polje» (Amselfeld) gilt bis heute unter Serben als «Fall» des Staates und der Entnahme der Region Kosovo aus ihrer Hand. Der Legende nach besiegte das Osmanische Reich die serbischen Streitkräfte, unterjochte die Region, kultivierte sie um und islamisierte sie. Wissenschaftler aber sagen, historisch seien diese Fakten weder mit Beweisen belegt, noch gäbe es Hinweise dafür, dass diese Schlacht tatsächlich stattgefunden habe (so berichtet die Zeit.de).

Der Theorie nach wurden die Serben aus dem Kosovo vertrieben. Nach dem Fall des osmanischen Reiches ging die Region dann zurück an die Serben und wurde im Jahre 1918 bei der Gründung des jugoslawischen Königreiches direkt in das Reich integriert. Während des kalten Kriegs, als auch der Vielvölkerstaat Jugoslawien kommunistisch regiert wurde, genehmigte Staatschef Tito der Teilregion Kosovo grosse Autonomie in Bereichen der Politik, Wirtschaft und Kultur. Als dann aber die kommunistisch regierten Staaten im Osten Europas zu Beginn der 90er Jahre zusammenbrachen, löste die Regierung Jugoslawiens die Autonomie des Kosovo auf, unterdrückte das mehrheitlich albanische Volk und verdrängte es aus dem öffentlichen Leben. Laut sibilla-egen-schule.de eskalierte die Anspannung zwischen den beiden Volksgruppen, den Serben und den Albanern. Serbische Streitkräfte marschierten im Kosovo ein, zerstörten Wohnsiedlungen, wandten Gewalt an der Bevölkerung an und versuchten, die Region unter ihre Kontrolle zu bringen. Aufgrund der Missachtung der Menschenrechte griff die NATO ein und löste einen Krieg aus. Nach dem kompletten Zerfall Jugoslawiens kam der Kosovo nach langem hin und her frei, im Jahre 2008. Jedenfalls fast – nicht alle Staaten kennen den Kosovo als souveränen Staat an.

Der Doppeladler im Kamikazeflug

Aufgrund des Jugoslawienkrieges zogen viele Menschen aus den umkämpften Regionen in den Norden, viele auch in die Schweiz. Nicht nur Albaner aus dem Kosovo flüchteten in die Schweiz – auch Serben suchten hier Zuflucht. Laut dem Bundesamt für Statistik (bfs) stammen 5,2% der ausländischen Wohnbevölkerung aus dem Kosovo und 3,3% aus Serbien (Stand 2016). Dass dies innerhalb der Schweiz ein Konfliktrisiko bietet, welches zwar nicht unbedingt hoch ist, dennoch aber vorhanden, ist klar. So löste der Torjubel von Granit Xhaka im Spiel der WM Schweiz gegen Serbien in der 52 Minute unter serbischen Fans grosse Empörtheit aus. In diversen Public-Viewing Arenen, wie beispielsweise in Solothurn, drohte die Lage zu eskalieren. Serbische Buhrufe erklangen bei jeder Ballannahme von albanischen Nationalspielern, Gesänge gegen die Spieler folgten, wie kleinere Pöbeleien zwischen serbischen und kroatischen Fans (Die Mannschaft der Kroaten bestritt an diesem Tag kein Spiel) – und dies mitten unter Schweizern. Nach dem angespannten Spiel sammelten sich Albaner und Serben auf der Strasse und lieferten sich beinahe eine Massenschlägerei – wiederrum mitten unter Schweizern. Die Polizei hatte die Situation jedoch  im Griff.

Der dritte Adler im Schwarm

Nicht nur Granit Xhaka, auch Xherdan Shaqiri zeigte bei seinem Tor zum 2:1 den «Vogel». Gegenende des Spiels liess sich dann auch Teamkapitän Stephan Lichtsteiner zum Doppeladler mitreissen. Lichtsteiner, bekanntlich ohne Wurzeln auf der Balkanhalbinsel. Der NZZ am Sonntag erklärte er am gestrigen Tag, er habe aus reiner Solidarität bei der Gestik mitgemacht. Er findet, so würde der Teamgeist innerhalb der Nationalmannschaft gestärkt. Ohne Strafe kommt der «Adlerschwarm» hingegen nicht davon. Nach der FIFA verstiess der Torjubel des Trios gegen ihr Fairplay-Reglement. Insgesamt 25`000 Franken muss der Verband dafür bezahlen. Die FIFA verzichtete auf eine Sperre der drei Spieler im nächsten Spiel.

 

Zündstoff für die schweizerische Medienwelt

Der «Adlerskandal» löste in der Schweizer Medienwelt geradezu einen Boom aus. Diverse Memes wurden von Meme-Herstellern von Instagram, bis Facebook erstellt. Auch die Zeitungen und andere Nachrichtenkanäle ergriffen die Gelegenheit, aus einem Torjubel ihre Vorteile zu ziehen und das Thema zu pushen. So wurde von unseren Medien wieder einmal aus einem harmlosen Greifvogel, ein bösartiger, gefährlicher Falke geschaffen.

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