Man hatte ihn bereits als den neuen Shootingstar der italienischen Politik gefeiert. Giuseppe Conte war gerade erst durch Matteo Salvini und Luigi di Maio als neuer Ministerpräsident vorgeschlagen, sollte es diesem gelingen, die von Italien so dringend benötigte Regierung zu bilden.

Dazu sei gesagt: Italiens traditionellerweise chaotische Staatsführung war in den letzten Monaten noch mehr zu einer Komödie all’italiana verkommen. Bei den Parlamentswahlen vom 4. März hatten die Protestpartei Movimento 5 Stelle und die rechtspopulistische Lega Nord zusammen hauchdünn die absolute Mehrheit errungen und damit die alteingesessene mitte-links Partei Partito Democratico ausgestochen. Ein Schock, nicht nur für das Establishment der italienischen Politik. Die unvorhergesehene Erstarkung populistischer Parteien führte zu Unruhen in Gesellschaft und Politik.

Dass es nach 84 Tagen zäher Verhandlungsarbeit trotzdem nicht zur Bildung einer populistischen Regierung in Italien kam, ist in erster Linie auf den 81 Jahre alten Paolo Savone zurückzuführen. Der Ex-Industrieminister und Ökonome war Salvinis Wunschkandidat auf den Posten als Wirtschafts- und Finanzminister gewesen. Savones politische Ansichten sind dem momentanen Staatspräsidenten Italiens, Sergio Mattarella, jedoch ein Dorn im Auge. So beschrieb Savone die europäische Gemeinschaftswährung, den Euro, als „deutscher Käfig“, philosophierte gleichzeitig über einen möglichen Ausstieg Italiens und einer damit verbundenen Rückkehr zur Lira. Beschwichtigungsversuche stimmten den Präsidenten nicht mehr um. Dieser stellte klar, er dulde kein Kabinett, das Italiens Position in Europa infrage stelle und verweigerte die Anerkennung Savones. Die Regierungsbildung platzte, Conte dankte nur vier Tage, nachdem ihn Mattarella mit der Regierungsbildung beaufragt hatte, wieder ab.

Der Profiteur heisst Salvini

Bemerkenswert war auch Salvinis Sturheit, mit der er auf die Ernennung Savones pochte. Das mag zwei Gründe haben: Erstens möchte der Aussenrechtspolitiker Matarellas Ansehen schwächen und sich noch deutlicher als Gegenstück des italienischen Polit-Establishment etablieren. Zweitens, und dies ist von weit grösserer Wichtigkeit, zeigen die Umfragewerte für Salvinis Lega Nord seit Wochen deutlich aufwärts. Hatte die Partei anfangs März noch 17 Prozent der Stimmen erhalten, zeigen Umfragen nun bereits 23 bis 25 Prozent an. Zusammen mit den Anteilen der beiden anderen rechten Parteien Forza Italia von Silvio Berlusconi und Fratelli d’Italia von Georgia Meloni könnte eine rechte, antieuropäische Koalition ohne die Hilfe anderer Parteien regieren. Dies könnte böse Konsequenzen für Italiens Europapolitik mit sich bringen.

Mattarella hat jetzt noch die Möglichkeit das Ruder mit einer Technokraten-Regierung herumzureissen. Es gilt jedoch als beinahe träumerisch, dass das italienische Parlament eine solche akzeptieren würde. Neuwahlen im nächsten Herbst scheinen damit als unverzichtbar. Es wird die nächste Zerrreisprobe eines bereits gespaltenen Landes.

Auch die EU in der Krise

Das Auflodern eurokritischer Kräfte in ganz Europa lässt die Position der EU immer mehr wackeln. Die Europäische Union, der grösste Wirtschaftsraum der Welt, scheint in ihrer tiefsten Identitätskrise seit ihrer Gründung 1993. Die immer grösser werdende Abneigung gegen das ursprüngliche Friedensprojekt wird nun auf der politischen Agenda der einzelnen Länder zum Ausdruck gebracht: Die AfD in Deutschland, der Front National in Frankreich und nun in Italien gleich zwei Parteien, die sich den Austritt aus der EU auf die Kappe geschrieben haben. Da ist jede Anerkennung einer eurokritischen Partei Gift für das politische Klima in Brüssel.

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