«Von schlechten Eltern» ist einer der fünf Titel, welche für den diesjährigen Schweizer Buchpreis vom 8. November nominiert sind. Im Rahmen der Rezensionsreihe auf tize.ch, habe ich Tom Kummers Werk gelesen und stelle dieses hier gerne zusammen mit meiner Perspektive darauf vor.

Um in die Thematik des Buches einzusteigen, bedarf es zunächst einem schmalen Vorwissen über den Autor. Tom Kummer, der aus Bern stammt, lebte einige Zeit in Los Angeles, bis er 2016 in die Schweiz zurückkehrte, nachdem seine Frau Nina starb. Mit diesem Satz wird jedoch nicht nur Autor, sondern auch die Hauptfigur seines Werks «Von schlechten Eltern» charakterisiert. Tom Kummer als Autor verwendete bereits in vorangehenden Werken solch einen ‘autofiktionalen’ Stil; Also eine Art und Weise die erlebte Realität mit der Fiktion zu verflechten. In diesem Stil erzählt das Buch also von einem Tom Kummer, der als Nachtchauffeur für einen Limousinen Fahrdienst arbeitet. Und von seinen beiden Söhnen.

Mein erster Eindruck

Nachdem ich die anfängliche Verwirrung über Tom Kummer als Autor und Tom Kummer als Protagonist überwunden hatte, konnte ich erst so richtig in die Geschichte einsteigen. Dabei fiel mir vor allem die atmosphärische Kälte auf, mit welcher erzählt wird. Der Protagonist wird nur sehr langsam charakterisiert und wirft mehr Fragen auf, als beantwortet werden, was natürlich stark zum Weiterlesen anregt. Nichtsdestotrotz fiel es mir am Anfang eher schwer, eine Sympathie für den Protagonisten aufzubauen. Mir kam es vor, wie wenn ich jemanden kennenlernen würde, der kaum etwas über sich Preis geben möchte und sich sehr zurückgezogen verhält. Und ich kann mir sehr gut vorstellen, dass genau dies auch das Ziel des Autors war.

Stärken

Was mir beim Lesen des Buchs besonders gefiel, war die Stärke des Autors, eine kühle und düstere Atmosphäre zu erzeugen, die dennoch eine emotionale Tiefe erreicht. Oft befindet man sich im Kopf des Protagonisten und bekommt dabei mit wie Gedanken abdriften, Erinnerungen für kurze Momente die Realität berühren, die Realität übernehmen bis die Realität einer Autobahn wieder hervortritt und die innere Geschichte der äusseren den Weg freimacht.

Snap out of it, Dad!

Durch diesen Stil schafft der Autor eine unglaubliche Nähe zum Innenleben des Protagonisten. Der Übergang zwischen der physischen Realität in der man sich befindet und der psychischen Realität durch welche die physische wahrgenommen wird, ist in dieser Geschichte nahtlos.

Woran es mir fehlte

Was ich an diesem Buch schade fand, waren mehrere Aspekte der Story, die nach und nach hervortreten. Dabei ist aus meiner Sicht klar zu unterscheiden zwischen innerer Story, also der Story wie sich das Innenleben des Protagonisten über den Verlauf des Buches entwickelt und der äusseren Story, der Handlung der verschiedenen Charaktere, die in einer realen Welt zueinander in Beziehung stehen. Die innere Handlung schreitet nur sehr langsam voran, was anfänglich für sehr viele offene Fragen und Verwirrung sorgt. Auch wenn sich im Verlauf des Buches mehr und mehr über das Innenleben Tom Kummers offenbart, bleiben wirklich zufriedenstellende Antworten grossflächig aus. Diese Menge an offenen Fragen wird auch im äusseren Handlungsstrang nur grösser. Viele der tieferen Beziehungen des Protagonisten werden nur angedeutet oder bleiben über das ganze Buch hinweg ein Mysterium. Gespräche mit Personen, welche in der Geschichte keine weitere Bedeutung haben, sind oftmals die aufschlussreichsten innerhalb des Buches.

So scheint der äussere Handlungsstrang auch nur den einzigen Zweck zu verfolgen, die innere Handlung weiter zu erzählen. Denn eine andere Bedeutung ist der Geschichte leider nicht wirklich abzugewinnen. Die gesamte Story scheint darauf abzuzielen, den Protagonisten zu charakterisieren, respektive dessen Innenleben zu entwickeln. Das ist an sich sehr interessant und per se auch sehr gelungen. Nichtsdestotrotz mangelt es aus meiner Sicht dadurch diesem Buch schlichtweg an Substanz.

Fazit

Insgesamt finde ich «Von schlechten Eltern» enorm gut geschrieben. Es fühlt sich an, als befinde man sich wirklich im Kopf des Protagonisten, mit allen Tagträumen und psychotischen Episoden. Ich denke, es wäre nicht möglich gewesen, noch mehr aus dieser Story herauszuholen. Was auch damit zusammenhängt, dass die Story nur relativ wenig Substanz bietet. Ein Buch wie eine interessante aber sehr introvertierte Person: Man freut sich über diejenigen Gespräche die man hat, jedoch werfen diese wesentlich mehr Fragen auf, als sie beantworten.

Bildquellen

  • kummer: Susanne Schleyer
Geschrieben von:

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