Von Zeit zu Zeit haben gewisse Deutschlehrer die hervorragende Idee, Buchvorträge durchzuführen. In den meisten Fällen steht es einem offen, welches Buch man lesen will, doch was mich selbst angeht, gab es eine vorgefertigte Liste, von der wir Schüler ein Buch aussuchen konnten.

Die Auswahl war sichtlich begrenzt und die Hoffnung ein einigermassen interessantes Buch herauszupicken sank stetig.

Meine Wahl fiel am Ende – ich war die Letzte, die sich entschied – auf das neuste Werk von Benedict Wells:

„Vom Ende der Einsamkeit.“

Der Titel: interessant. Der Buchrücken, ebenfalls. Sollte ich es wirklich lesen? Hatte ich eine Wahl? Nicht wirklich. Noch am selben Tag ergatterte ich mir das letzte Exemplar im Buchgeschäft am Bahnhof Zürich und las die ersten 20 Seiten des 355 seitigen Werkes.

4 Tage später hatte sich meine bisherige Einstellung gegenüber Diogenesbüchern komplett geändert.

Das altbackene Cover, der weiss-graue Hintergrund und eher merkwürdigen Titel haben meine Aufmerksamkeit noch nie auf sich gezogen. Hierbei wurde ich im positiven Sinne überrascht.

Wells erzählt in seinem Neuling vom Erwachsen werden dreier Geschwister, die im Alter von 11, 13 und 14 Jahren Vollwaisen werden. Sie werden in ein Internat geschickt und alle entwickeln sich in verschiedene Richtungen. Jules, der jüngste der Moreau-Geschwister liebt es zu fotografieren und ist sehr laut. Im Internat wird er verschlossen und zurückhaltend, bis er die ebenfalls geheime Alva kennenlernt, in die er sich sofort verliebt. Marty ist der Mittlere und wird nach einigen «Ich-trag-nur-noch-schwarz-und-hör-Heavy-Metal» Jahren der Chef einer Internetfirma.

Liz, die Älteste war immer gerne im Mittelpunkt, hat blonde Locken und viele Verehrer. Während sie sich von den Drogen beherrschen lässt, weiss Jules nicht was er mit seinem Leben anfangen will. Er bricht sein Jura Studium ab, versucht sich als Fotograf und landet schlussendlich in einem Musikstudio, stets auf der Suche nach seiner verlorenen Liebe Alva.

So wird man über 350 Seiten hinweg durch das Leben von Jules und Alva geleitet und erfährt dabei auch mit was Marty und Liz tagtäglich zu kämpfen haben.

Benedict Wells, der selbst in mehreren Internaten aufgewachsen ist, hat mit seinem dritten Roman (an dem er übrigens 7 Jahre gesessen hat) das schwere Thema Verlust auf eine berührende und leichte Art behandelt. Auch Freundschaft, Liebe und die Suche nach sich selbst sind wichtige Themen.

Wells schreibt einfach und trotzdem mit einer wundersam schönen Sprache und hie und da zieren Lebensweisheiten und andere tiefe Gedankengänge die Handlung.

An der Stelle möchte ich einige meiner Lieblingszitate aufführen:

«Das wahre Talent war der Wille.»

«Das Gegengift zu Einsamkeit ist nicht da wahllose Zusammensein mit irgendwelchen Leuten. Das Gegengift zu Einsamkeit ist Geborgenheit.»

«Stattdessen leben wir, wir schaffen Kunst, lieben, beobachten, leiden, freuen uns und lachen. Wir existieren alle auf millionenfach unterschiedliche Weisen, damit es kein Nichts gibt, und der Preis dafür ist nun mal der Tod.»

«Man war und blieb der, für den die anderen einen hielten.»

«Du allein trägst die Verantwortung für dich und dein Leben. Und wenn du nur bekommst, was du immer getan hast, wirst du auch nur bekommen, was du immer bekommen hast.»

Als Fazit lässt sich über Buchvorträge sagen: Sie nerven. Aber ein neues Buch zu lesen, für das man sonst keinen Blick verschwenden würde, kann ein Risiko sein. Lässt man sich darauf ein, ist es eine hervorragende Möglichkeit etwas Neues zu lernen und für einmal im Leben etwas „Neues“ zu wagen. (Was man natürlich auch ohne den seelischen Druck noch einen Buchvortrag zu machen, wagen kann.)

Beitrag von Jana

Geschrieben von:

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