Talinolou ist eine selbstständige Künstlerin. Was als Hobby während dem Lockdown begann, entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit in ein erfolgreiches Langzeitprojekt. Sie verwandelt ihre Illustrationen mit der Linoldrucktechnik in einzigartige Kunstobjekte. Doch das Künstlerdasein bringt auch Herausforderungen mit sich.
Hinter dem Künstlernamen Talinolou steckt die 24-jährige Thurgauerin Talina Walser. Sie ist in einem kleinen Dorf aufgewachsen und wohnt heute in Weinfelden, nur wenige Minuten von ihrem Atelier in Bürglen entfernt. Schon früh stand für Talinolou fest, dass sie Grafikerin werden möchte. Sie besuchte nach der obligatorischen Schulzeit den gestalterischen Vorkurs und vier Jahre die Fachklasse in St. Gallen. Dort lernte sie unterschiedliche Kunsttechniken kennen und konnte sich kreativ ausleben. Ob sie studieren möchte, ist für Talinolou bis heute unklar. Um sich die Option offen zu halten, absolvierte sie aber die gestalterische Berufsmaturität im Jahr 2020. In diesem Schuljahr kommt Talinolou zum ersten Mal mit dem Linoldruck in Berührung. «Ich war begeistert von dieser Technik und bestellte sofort alle nötigen Materialien zu mir nach Hause.» Dann kam Corona, die Ausgangssperre, der Entscheid, dass keine Abschlussprüfungen stattfinden und somit auch ganz viel Zeit, sich am Linoldruck auszuprobieren. Freunde und Familie waren begeistert und ermutigten sie ihre Arbeit auf Instagram zu veröffentlichen. «Dann ging alles Schlag auf Schlag und ich verkaufte bereits zwei Monate später meine Linoldrucke», sagt Talinolou. Am Anfang waren die Selbstzweifel ihre stetigen Begleiter, da sie Angst hatte, die Nachfrage würde bald zurückgehen. Doch ihre Bedenken waren unbegründet. Im Sommer 2020 hatte sie bereits so viele Anfragen, dass sie den Verkauf ihrer Produkte neu über Etsy, einen internationalen Onlineshop für Kunst, abwickeln musste.
«Selbständig zu sein ist für mich völlig befreiend»
Seit Januar 2021 verkauft Talinolou ihre Kunst vor allem auf der Webseite von «supportyourlocalartist». Das ist eine Schweizer Plattform, die es selbstständigen Kunstschaffenden ermöglicht, ihre Kunst zu präsentieren. Durch diese Zusammenarbeit sind nochmals viele neue Personen auf sie aufmerksam geworden. Auch Kooperationsanfragen von Läden, die ihre Produkte in ihr Sortiment aufnehmen möchten, haben zugenommen. In den letzten zwei Jahren konnte Talinolou schon einige grössere Projekte umsetzten. Für das Kulturlokal «Salzhaus» in Winterthur war sie für eine Monatskunst zuständig, für das Schweizer Radio und Fernsehen konnte sie eine Illustration für das Format «We, Myself & Why» designen und für die Podcast-Reihe «Gfürchig» hat sie das Cover gestaltet. Talinolou sagt: «Selbständig zu sein ist für mich völlig befreiend. Ich kann arbeiten mit wem und wann ich will.» Auch die Zusammenarbeit im Atelier mit fünf weiteren Kunstschaffenden sei für sie wertvoll. Im Audio erklärt sie, wie das Künstlerkollektiv «creative Kollektiv» genau funktioniert.
Obwohl ein intensiver Austausch im Kollektiv stattfindet, bleibt Talinolou eine selbstständige Künstlerin. Die Schattenseiten der Selbstständigkeit habe sie dabei schon kennenlernen müssen. Sie habe oft Phasen, die mehrere Wochen andauern, in denen sie keine Zeit findet, um neue Illustrationen zu entwerfen. Die administrativen Arbeiten, die Talinolou nicht einfach weiterdelegieren kann, nähmen viel Zeit ein. In solchen Situationen hinterfragt sie ihr komplettes Künstlerdasein. «Ich zweifle schon auch, vor allem wenn ich mich mit anderen vergleiche, die sich keine finanziellen Sorgen machen müssen und seit dem 18. Lebensjahr immer in die dritte Säule einzahlen können», sagt Talinolou. Doch sie merke, dass sie gar nicht anders arbeiten möchte. Ihren Ideen täglich Platz zu geben, erfülle sie mit viel Freude und dass ihre Arbeit Anklang findet mit Stolz. Dabei ist für Talinolou bei ihrer Kunst wichtig, dass eine Message dahintersteckt und Gefühle entstehen. Sie lässt sich dabei von ihrer Umgebung, ihren Gefühlen und Erinnerungen inspirieren. Allerdings habe es auch eine Zeit gegeben, in der sie sich von anderen Einflüssen leiten liess. Auf TikTok erlangte Talinolou mit ihren Videos über ihre Kunst viel Aufmerksamkeit und einmal sogar über 800’000 Aufrufe. Doch durch diese Zahlen geriet sie unter Druck. In dieser Phase habe sie nur noch geschaut, was gerade angesagt ist, um möglichst viele Klicks zu generieren. Heute ist das für Talinolou die falsche Intention, um Kunst zu machen. Sie sagt: «Mittlerweile mache ich Kunst nur noch für mich und nicht mehr für andere.» Wie sie dabei genau vorgeht, erklärt sie im Video.
«Die Kunstbranche ist für mich wie ein Dschungel»
Für die Zukunft wünscht sich Talinolou Veränderungen. In der Kunstbranche solle es zu einem Wandel kommen, sagt sie. «Diese Branche ist für mich wie ein Dschungel, in dem ich mich oft orientierungslos fühle.» Für Talinolou fehlt es an Richtlinien, woran sich Kunstschaffende in Verhandlungen mit Kunden halten können. «Ich habe keine Ahnung davon und ich weiss von anderen Kunstschaffenden, dass sie sich ebenfalls verloren fühlen», sagt sie. In der Kunstbranche werde oft als Bezahlung eine Exposure angeboten. Dies bedeutet, dass man kein Geld für seine Leistung erhält, sondern die Zusicherung, dass die abgelieferte Arbeit von vielen Leuten gesehen wird. Für Talinolou zwar eine schöne Anerkennung, doch mit dieser könne sie keine Rechnungen zahlen. Sie hofft, dass offener über diese Problematik gesprochen wird und dies ein Umdenken mit sich bringt.
Auch persönlich will Talinolou Veränderungen. «Ich möchte mich im Ausland als Künstlerin behaupten.» Dass internationales Interesse vorhanden ist, weiss sie bereits, denn von überall auf der Welt treffen täglich Bestellungen ein. Sie sagt: «Einfach verrückt, wenn ich mir vorstelle, dass meine Illustrationen Wohnungen in New York schmücken.» Ebenfalls möchte sie sich in neuen Kunsttechniken ausprobieren. Obwohl Talinolou ihre Illustrationen immer noch gerne in Linoldrucke umsetzt, will sie sich weiterentwickeln. Vor Kurzem hat sich an das Töpfern gewagt und eine Tätowiermaschine ist auf dem Weg in ihr Atelier. Sie möchte ihre Kunst auf eine neue Art verewigen.