Der Persönlichkeitstest hat entschieden: „Du bist ambivertiert!“, sprechen die grossen schwarzen Lettern zu mir, nachdem ich einige Fragen beantwortet und gespannt auf ein Resultat gewartet habe. Laut der Beschreibung auf der Webseite gehöre ich zu den Menschen, die weder klar extrovertiert noch klar introvertiert sind. Ich bewege mich also im Mittelfeld. Doch sind wir ehrlich, das tut doch jeder irgendwie.

Nur dass ich mich manchmal nicht ausgeglichen und mittig fühle, sondern hin und hergerissen. Als ambivertierte Person sollte ich sowohl Zeit in grossen Menschengruppen als auch ruhige Momente alleine geniessen. Blöd nur, wenn ich mich nach beidem gleichzeitig sehne. Und solltest du dich wundern, wie das überhaupt gehen sollte, so werde ich dir nun eine kleine Episode aus meinem Leben schildern:

Freitagabend, die Woche ist überlebt, das Sporttraining absolviert und der Rest des Abends kann beginnen. Ich habe die Wahl: Zu Hause wartet mein gemütliches Bett auf mich und die letzten beiden Folgen der Serie, die ich zurzeit schaue. Klingt verlockend. Doch im Hinterkopf habe ich auch das Stadtfest, an dem ich eigentlich teilnehmen wollte. Meine Freunde sind zwar alle anderweitig beschäftigt, aber hey, ich könnte ja auch einige neue Bekanntschaften machen.

Die Entscheidung ist also gefallen. Nicht nach Hause, sondern zum Stadtfest führt mich mein Weg, wo schon eine grosse Menschenmasse gespannt auf den Beginn des nächsten Konzertes wartet. Ich quetsche mich durch – praktisch, dass ich alleine bin, denn ich laufe keine Gefahr, jemanden zu verlieren. Und doch, irgendwie geht gerade die Motivation verloren, überhaupt hier zu sein. Um mich herum sind lauter kleine Grüppchen, die gemeinsam lachen und Spass haben. Ich dagegen stehe hier alleine und frage mich, weswegen ich nicht einfach nach Hause gegangen bin.

Doch halt, bald würde doch das Konzert anfangen. Dann spielen die anderen eigentlich gar keine Rolle mehr. Ich würde einfach hier stehen und der Musik lauschen. Kaum fängt die Band jedoch an zu spielen, merke ich, dass ich mir noch nie komischer vorgekommen bin, beim Text mitsingen. Warum ist das jetzt ein Problem? Alleine traut man sich doch bekanntlich eher zu singen, als im Beisein von anderen? Und ich bin doch alleine, oder eben doch nicht?

Nein, ich bin umgeben von Menschen und doch nur mit mir selbst hier. Und weder die Menschenmasse, noch das Alleinsein fühlt sich wirklich gut an. Was ist nur los mit mir, ich bin doch enthusiastisch hergekommen, um Leute kennenzulernen? Ich versuche also, mir etwas bewusster zu werden, wer alles um mich herumsteht. Eine Gruppe Teenager, ungefähr drei bis vier Jahre jünger als ich. Ach du liebe Zeit, war ich damals auch so überdreht und redete über Dinge, die ich gar noch nicht richtig verstand?

Möglicherweise, doch zum Glück sind sie nicht meine einzigen Nachbarn. Vor mir steht ein Mann, auch alleine, doch halt! Sein Begleiter ist eine Bierdose, seinem Geruch nach jedoch nicht die erste. Was macht er denn da eigentlich? Was?! Er ist am Handy und sieht sich sein Instagram-Dashboard an, während das Konzert läuft? Na super und der versperrt mir hier auch noch die Sicht.

Wen gibt es also sonst noch? Oh, links von mir sind drei Jungs in meinem Alter. Gutaussehend, allesamt. Soll ich etwas sagen? Auf die Bemerkung des einen eingehen, der sich ebenfalls über die überdrehten Teenies wundert? Vielleicht könnte ich fragen, ob sie noch ein paar Ohropax für mich haben? Doch nein, besser nicht.

So geht diese innere Ringerei mit mir selbst weiter. Ich habe Ideen, schmiede Pläne und baute Strategien auf, wie ich die Gruppe links von mir ansprechen könnte. Und ich habe es auch vor, denn ich will schliesslich neue Leute kennenlernen. Doch schlussendlich tue ich: nichts. Stehe bloss da und entscheide in der Mitte des Konzertes, einen Zug früher als geplant zu nehmen. Zwar verpasse ich den Schluss des Konzertes, doch ich kenne schon alle Lieder live und ausserdem sehe ich, dank dem angetrunkenen Mann vor mir, sowieso nichts.

Einen letzten Blick auf meine potentiellen neuen Bekanntschaften, die ich dann doch nicht angesprochen habe, werfe ich noch, bevor ich mich langsam aus der Menge zu drängen versuche. Gar nicht mal so einfach, bei all den Menschen die hier sind. Die Menge selbst ist mir nicht einmal unangenehm. Nur der Gedanke daran, irgendwie doch nicht dazu zu gehören. Was natürlich völliger Blödsinn ist, denn ich stand mehr als eine Stunde in ihr und war physisch sehr wohl Teil davon.

Und als ich später Teil von dem Decke-Laptop-Bett Komplex werde, wundere ich mich, was wohl gewesen wäre, wenn ich geblieben wäre und doch noch jemanden angesprochen hätte. Das Bedürfnis zu kommunizieren und mich ein wenig extrovertiert zu geben, ist trotz allem nicht verschwunden. Doch das Sehnen nach meiner Serie und dem warmen Bett zeigt, dass ich auch irgendwie introvertiert geblieben bin.

So liege ich jetzt hier in meinem Bett, bin trotz allem weder introvertiert noch extrovertiert und fühle mich aber auch nicht typisch ambivertiert. Aber das muss ich auch gar nicht. In erster Linie bin ich einfach Alexandra und nicht ein Persönlichkeitstyp. Trotzdem ist es interessant, Tests zu absolvieren, die mir deuten wollen, was ich bin. Nur muss ich es ja nicht immer ernst nehmen.

Aber hey, vielleicht wäre es das nächste Mal ja ein guter Gesprächsstart, wenn ich in einer Menge stehe und einfach mal jemanden Frage, ob er denn wisse, ob er introvertiert, ambivertiert oder extrovertiert sei. Darüber würde sich bestimmt gut reden oder diskutieren lassen.

Und wenn du noch nicht genug von dem Thema hast, dann geht es hier zu einem weiteren Artikel und hier zu dem Persönlichkeitstest, den ich am Anfang erwähnt habe.

Geschrieben von:

"Write it. Shoot it. Publish it. Crochet it. Sauté it. Whatever, Make!" - Joss Whedon

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