Nach etwas mehr als drei Stunden Flugzeit setzt das Flugzeug am frühen Morgen auf der Landebahn vom Marrakech Menara International Airport auf. Der futuristische Neubau zeugt davon, dass der Tourismus in Marrakesch boomt und kräftig in die Infrastruktur investiert wird. Die Stadt möchte nicht konservativ sein, das war sie auch nie, sie ist liberal, tolerant und sehr weltoffen. Obwohl Marrakesch nicht Marokkos Hauptstadt ist, spielt sich das Leben in dieser quirligen und sagenumwobenen Stadt ab. Das Atlasgebirge hingegen beeindruckt mit atemberaubenden Landschaften und unglaublicher Ruhe. Diese zweiteilige Reisereportage beginnt in Marrakesch, geht durchs Atlasgebirge und endet wieder in Marrakesch und schildert einige Eindrücke der kontrastreichen Kultur Marokkos.


Ein Beitrag von Gastautor Stephan Wüest


Nachdem ich mir den Weg aus dem Flughafengebäude gebahnt habe, beginnt die Taxifahrt zur Stadtmauer der Altstadt. Mitten im marokkanischen Verkehr, versucht der Taxifahrer sein Lenkrad vom darin verhedderten Telefonkabel zu befreien. Erstaunlich gelassen denke ich mir «das kommt schon gut». Schliesslich gelingt es ihm auch und nach ein paar Minuten endet die Fahrt unversehrt am Stadttor Bab Laksour. Der Weg zur Unterkunft führt mich durch die engen und deshalb autofreien Gassen des Altstadtlabyrinths. Hier wuseln nur Esel, Motorräder und Menschen umher. In dieser Stadt sollte man gar nicht erst versuchen die Kontrolle über das Geschehen zu bewahren. Am besten geht man einfach mit dem Flow mit und geniesst es. Nach ein paar Gehminuten komme ich beim Riad an und eine kleine Frau öffnet mir sehr freundlich die Tür. Riads sind Gästehäuser mit einem Innenhof, die selten Fenster zur Strassenseite haben. Die Bauform hat die Vorteile, dass sie das Gebäude im Sommer von der sengenden Hitze schützt und im Winter die Wärme nicht verloren geht. Von aussen ahnt man nie, was für eine Pracht einen im Inneren der Gebäude erwartet. Die Türe schliesst sich hinter mir, das lärmige Gewusel und der Benzingeruch der Motorräder bleibt auf der Strasse. Der Geruch von Orangenblüten und dem landestypischen Pfefferminztee, der mir gerade in hohem Bogen eingeschenkt wird, ist angenehm präsent im Raum. Ausser dem Vogelgezwitscher und dem Wasser im Schwimmbad hört man nichts. Der Innenhof ist prächtig bepflanzt, riesige Liegen säumen das Schwimmbad und das Wasser schillert im Sonnenlicht. In den nächsten Tagen erkundige ich einige der Sehenswürdigkeiten in und um Marrakesch.

Bild: Stephan Wüest
Innenhof eines Riads

 

1.     Jardin Secret, Medina

Dieser rund 400 Jahre alte ehemalige Palast ist seit rund elf Jahren wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Die Gartenanlage ist wunderschön bepflanzt, die Schildkröten und grünen Bodenplatten runden das Gesamtbild ab. Dass der Garten mit Schmelzwasser aus dem rund 30-40km entfernten Atlasgebirge bewässert wird, zeugt von dem hohen Wissensstand vor einigen hundert Jahren.

 

2.       Jardin Majorelle und Musée de Yves Saint Laurent

Am besten besucht man den Jardin Majorelle am Morgen, direkt nachdem er geöffnet wurde. So kommt man praktisch alleine in den Genuss der über 100 Kakteen, die Yves Saint Laurent und sein Partner Pierre Berger aus der ganzen Welt importiert haben. Zentrum des Gartens bildet ein in Majorelleblau gestrichenes Wohnhaus. Dieses geht auf den französischen Maler und ursprünglichen Besitzer Jacques Majorelle zurück.

Direkt neben dem botanischen Garten befindet sich das erst 2017 eröffnete Musée de Yves Saint Laurent. Die Arbeit des Architekturbüros Studio KO ist herausragend. Das Museum, mit versetzter Backsteinfassade, empfängt die Besucher in einem kreisrunden Innenhof, in dessen Zentrum das Markenlogo YSL prangt. Im Museum sind zahlreiche Kleidungsstücke aus der Schaffenszeit von Yves Saint Laurent ausgestellt. Ein Besuch lohnt sich schon nur wegen der Architektur.

Bild: Stephan Wüest
Innenhof des Musée de Yves Saint Laurent

Der botanische Garten und das Museum liegen in der Neustadt von Marrakesch – Gueliz genannt. Dieses Quartier ist ein Abbild der modernen Gesellschaft: Der Baustil der Wohn- und Geschäftshäuser ist stark standardisiert. Die Haustüren und Strassen sehen alle gleich aus. Restaurantketten und Nachtclubs für neu Zugezogene prägen das Quartierbild. Im Vergleich zur Altstadt fehlt es an Mannigfaltigkeit. Nichtsdestotrotz befindet sich das traditionsreiche Restaurant La Trattoria seit 1974 in diesem Quartier. Bereits Yves Saint Laurent sass unter den zahlreichen Kronleuchtern, welche den Innenhof und das opulente Wasserbecken abends schummrig beleuchten. Heute erinnern riesige von Yves Saint Laurent auf Stoff angefertigte Skizzen an die Vergangenheit.

 

3.     Medina, Djemaa el Fna und Medersa Ben Yousseff

Zentrum der Medina ist der wohl lauteste Platz in Marrakesch, der Djemaa el Fna. Dies ist der Hauptplatz der Stadt, wo Schlangenbeschwörer, Geschichtenerzähler und Marktstände (heute Garküchen) schon seit hunderten von Jahren zur Tradition gehören. Die Marktschreier und Händler auf dem Platz sind durchaus aufdringlicher und lauter, als in den engen Gassen der Medina. Neben angeketteten Affen, in Käfigen gesperrten Reptilien und Schlangen wird allerlei billiger Ramsch verkauft. Aufgepasst: Wer hier beim Fotografieren eines Stands erwischt wird, wird von den Marktschreiern zum Bezahlen aufgefordert. Nachts, wenn der Rauch der Garküchen über dem Platz aufsteigt, ist dieser voller Leben und Geschichten. Der Djemaa el Fna ein Erlebnis, dass man miterlebt haben sollte – Jedoch gibt es sehenswertere Orte in Marrakesch. Zum Beispiel die Koranschule Medersa Ben Yousseff, welche ein architektonisches Highlight ist – wunderschöne, handgeschnitzte Holzverkleidungen verzieren das Gebäude auf der Innenseite.

 

4.     El-Badi Palast und Bahiapalast

Auch an Palästen mangelt es in Marrakesch nicht. Wer den El-Badi Palast besucht, findet sich dort vor zwei riesigen Wasserbecken und in der Tiefe angelegten Grünflächen wieder. Der nahegelegene Bahiapalast besticht durch Mosaike und ebenfalls schöne Gartenanlagen.

Wem der Rummel der Stadt über den Kopf wächst, kann im rund 15 Autominuten vom Stadtzentrum entfernten Beldi Country Club zur Ruhe kommen. Die sehr weitläufige Anlage besticht mit einer üppigen Bepflanzung, drei Schwimmbädern und einer traumhaft schönen Orangerie – Entspannung pur.

Die Zeit in Marrakesch neigt sich dem Ende zu. Am nächsten Tag startet die Fahrt ins Atlasgebirge und damit eine Fahrt in eine Oase der Ruhe…

 

Fortsetzung folgt…

Von Stephan Wüest

Bildquellen

  • Innenhof eines Riads: Stephan Wüest
  • Innenhof des Musée de Yves Saint Laurent: Stephan Wüest
  • FullSizeRender: Stephan Wüest
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